Wahlkampf in Großbritannien: Rishi Sunaks Bauchlandung

Großbritanniens Premier reiste vom D-Day-Gedenken in der Normandie vorzeitig ab. Das fällt im Wahlkampf auf seine ohnehin bedrängte Partei zurück.

Vier Männer in Anzügen

Gipfelfoto: von links nach rechts David Cameron, Emmanuel Macron, Olaf Scholz, Joe Biden. Ganz woanders: Rishi Sunak Foto: Ludovic Marin dpa AFP

LONDON taz | Die höchsten westlichen Staatsführer waren da: Emmanuel Macron als Gastgeber, Joe Biden, Olaf Scholz, Wolodymyr Selenskyj. Einer fehlte – Rishi Sunak. Statt des Premierministers vertraten Großbritannien vor den Kameras ein ehemaliger und allen Prognosen nach ein zukünftiger Premier: Lord David Cameron, derzeit Außenminister, und Sir Keir Starmer, derzeit Labour-Oppositionschef.

Dies war am vergangenen Donnerstag das Bild vom internationalen Gipfeltreffen auf Omaha Beach an der Küste der Normandie im Rahmen der Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag der D-Day-Landungen, der riesigen Offensive der Westalliierten zur Befreiung Westeuropas ab dem 6. Juni 1944. Rishi Sunak war zwar bei „britischen“ Zeremonien an der englischen Südküste und auch in Frankreich anwesend gewesen, reiste aber vor dem Treffen mit seinen Amtskollegen wieder ab. Ein TV-Interview zu Hause erschien ihm wichtiger vor den Parlamentswahlen am 4. Juli.

Viele sahen das anders. „Er zog die Wahl Tausenden, die umkamen, vor“, so das Urteil des 102-Jahre alten Jack Hemming, D.-Day-Veteran der Royal Air Force, der trotz seines hohen Alters in die Normandie gekommen war. Was der Vater, Großvater, Onkel oder Großonkel und andere Familienmitglieder im Zweiten Weltkrieg taten, und wer von ihnen nicht überlebte, ist Teil der Erinnerungskultur, ja man kann sagen der Identität, der meisten britischen Familien. Wer hier Fehler macht, riskiert sein politisches Überleben.

So kam am Freitagmorgen Sunaks Entschuldigung an das Volk: „Es war ein Fehler, nicht länger in Frankreich zu bleiben – und ich entschuldige mich dafür.“ Doch das unterstrich in den Augen der Öffentlichkeit bloß Sunaks fehlendes Einschätzungsvermögen. Für Labour und Reform UK – deren Chef Nigel Farage ebenfalls in die Normandie gereist war – bereitete dieser Fauxpas sozusagen freies Schussfeld gegen die Konservativen. Bei einer TV-Fernsehdebatte am Freitag abend nannte Farage Sunak „unpatriotisch“.

Farage wetteifert inzwischen, am 4. Juli mit seiner Reform UK die Konservativen zumindest prozentual zu überholen und damit stärkste Oppositionskraft zu werden – dass Labour die Wahlen gewinnt, daran zweifelt momentan kaum jemand. In einer Umfrage liegt Reform UK mit 17 Prozent nur noch knapp hinter den Tories, die auf 19 Prozent kommen.

Das britische Wahlrecht, da ausschließlich direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete im Unterhaus vorsieht, dürfte zwar nach wie vor Reform UK daran hindern, mehr als eine Handvoll Sitze zu gewinnen – aber die von den Konservativen abwandernden Stimmen werden wahrscheinlich vor allem Labour belohnen. Ein vermeidbares Eigentor Sunaks, der im Wahlkampf gegenüber den Medien jetzt auf Tauchstation gegangen ist.

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