cyberkriminell
: Wenn der Staat mehr Daten haben will, ist Misstrauen angebracht

Zum zweiten Mal hat das Innenministerium in Niedersachsen nun das Lagebild Cybercrime und Kinderpornographie vorgelegt. Das birgt erst einmal keine großen Überraschungen: Die Zahlen steigen, aha. Dabei ist das Dunkelfeld immer noch riesig. 76 Prozent der betroffenen Privatpersonen und Unternehmen zeigen diese Straftaten gar nicht erst an, hat das LKA Niedersachsen mit einer eigenen Dunkelfeldstudie festgestellt. Und jeder Zweite davon gibt als Grund an: Bringt ja eh nichts. Das muss den Behörden eine Mahnung sein. Klar gibt es oft auch Gründe dafür, warum man mit so etwas lieber hinterm Berg hält: Weil es peinlich ist oder den Ruf des Unternehmens gefährdet.

Schlimmer ist aber: Man traut dem deutschen Staat in dieser Hinsicht halt auch nichts zu. Wie sollte man auch, wenn der die eigene Digitalisierung kaum bewältigt kriegt und öffentliche Einrichtungen selbst zum Opfer von Cyberattacken werden? Im Zweifelsfall sitzen die Täter ohnehin im Ausland und der Geschädigte hier bekommt nicht mehr als ein bedauerndes Achselzucken.

Vor diesem Hintergrund sollte man vielleicht auch vorsichtig sein, den Zugriff auf immer noch mehr Daten zu fordern, wie es Innenministerin Behrens auch bei dieser Gelegenheit wieder tut. Wer glaubt denn, dass diese Daten bei diesem Staat sicher sind? Wenn die Polizei schon bei simplen Meldedaten immer wieder einräumen muss, dass unbefugt (also ohne dienstlichen Anlass) darauf zugegriffen wurde? Weil Beamte die Meldeadresse von Helene Fischer, den neuen Freund der Tochter oder Zielpersonen für den NSU 2.0 aus­checken?

Als Rechtfertigung muss dabei natürlich immer der Deliktbereich Kinderpornografie herhalten. Klar, keiner mag Kinderschänder. Dass allerdings auch in diesem Bereich das Gegenteil von „gut gemacht“ immer noch „gut gemeint“ ist, zeigt der Trouble um die zurückgenommene Strafverschärfung. 2021 wurde der Besitz von Kinderpornografie grundsätzlich zum Verbrechen hochgestuft, jetzt ist es wieder ein Vergehen. Warum? Weil man zweieinhalb Jahre lang Leute verfolgen und aburteilen musste, die man gar nicht verfolgen wollte: Eltern und Lehrer, die das Zeug gespeichert und weitergeleitet hatten, um etwas dagegen zu unternehmen. Obwohl es von Anfang an Experten gab, die vor genau dieser Tücke gewarnt haben.

Behrens fordert wie ihre Amts- und Parteikollegin Nancy Faeser (SPD) eine Vorratsdatenspeicherung, die weit über das Quick-Freeze-Verfahren hinausgeht, auf das sich Grüne und FDP in der Ampel gerade noch einlassen wollten. Wie das gegen technisch versierte Täter, die ihre Spuren verschleiern oder sich im Ausland verschanzen, helfen soll, sagt sie nicht. Nadine Conti