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Hartmut El Kurdi Und das alles ohne Seepferdchen

In diesem Jahr jährt sich der Abbruch meines Studiums zum dreißigsten Mal. Offiziell, also in der Statistik, gelte ich nämlich als Studienabbrecher. Inoffiziell, also quasi heimlich, habe ich selbstverständlich zu Ende studiert. Mit fast allem Drum und Dran. Nur zum Letzten ließ ich es nicht kommen.

Im Studiengang „Kulturpäda­gogik“ an der Universität Hildesheim verlangte die damalige Prüfungsordnung perfiderweise, dass man erst seine Abschlussprüfungen machte und dann im Anschluss eine Diplomarbeit schrieb. Was dazu führte, dass eine erkleckliche Anzahl von Studierenden brav die mündlichen und schriftlichen Prüfungen absolvierte, um sich anschließend sofort und gnadenlos im Leben zu verfranzen. Indem sie ABM-Stellen annahmen, nachts in postmodernen Spelunken kellnerten oder schlicht depressiv wurden, weil die Freundin oder der Freund sich jetzt doch dafür entschieden hatte, lieber mit dem Ralf oder der Petra nach Freiburg zu ziehen.

Was meine Gründe waren, kann ich nicht mehr genau rekonstruieren. Wahrscheinlich alle drei auf einmal. Vielleicht fand ich es auch einfach albern, diese Arbeit zu schreiben. Mein Lieblingsprofessor sagte in einer meiner mündlichen Prüfungen: „Sie machen den Eindruck, als ob Sie es für eine Unverschämtheit halten, überhaupt geprüft zu werden.“

Ich konnte ihm nicht widersprechen. Schließlich hatte ich nicht nur die vorgeschriebenen neun Semester, sondern vor lauter Begeisterung sogar noch zweieinhalb Jahre länger in Seminaren und praktischen Übungen Engagement und neurodiverses Verhalten gezeigt, sogar hin und wieder die übermenschliche Leistung vollbracht, zu Veranstaltungen um 10 Uhr (s.t.) zu erscheinen!

Mindestens drei Mal in der Woche hatte ich in der am Bolognese-Tag nach Erbrochenem riechenden Mensa gegessen und dazu noch in meinem Nebenfach Musik eine Prüfung in „Ensembleleitung“ aka Dirigieren bestanden, wofür ich mich heute noch schäme. Und jetzt sollte ich auch noch eine 100-Seiten-Arbeit schreiben? Pardon, irgendwo ist dann auch mal Schluss, finde ich.

Ich gebe das hier auch nur zu Protokoll, falls ich demnächst mal in ein Ministeramt schlittere oder man mich zwingt, auf dem Intendantensessel eines Drei-Sparten-Hauses oder einer öffentlich-rechtlichen Funkanstalt Platz zu nehmen.

Im Gegensatz zu früher wird ja heutzutage jeder Lebenslauf, jeder Abschluss, jede Doktorarbeit sofort faktengecheckt. Hat man abgeschrieben, falsch zitiert oder aus einem Strandurlaub in Italien ein Erasmus-Semester gemacht: Zack, weg vom Fenster!

Also, damit das klar ist: Die einzigen Abschlüsse, die ich besitze, sind erstens die Fahrradprüfung aus der 4. Klasse und zweitens ein solides Zweikommairgendwas-Abi. Und selbstverständlich: das Seepferdchen.

Mal sehen, ob ich zurücktreten muss, wenn jemand rausfindet, dass das mit dem Seepferdchen gelogen ist.

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