Castoren-Route durch Wohnviertel täuscht Demonstranten

Nach 16 Stunden Fahrt rollt der Atommüll schließlich fast unbemerkt in das Zwischenlager in Ahaus. Der Grund: Die Polizei hatte eine Alternativroute gewählt, die mitten durch die Kleinstadt Heek führt. Atomkraftgegner kritisieren, dass es keine Genehmigung für die Ortsdurchfahrt gab. Bürgermeister: „Die Brennstäbe müssen ja irgendwo hin“

BOCHUM taz ■ Als gestern morgen um vier Uhr der Konvoi mit sechs Castoren auf das Gelände des Zwischenlagers in Ahaus einbog, war die Überraschung bei den meisten Demonstranten groß. Die Lastwagen rollten fast unbemerkt in das Lager. Der Konvoi hatte keine der beiden offiziell genehmigten Routen benutzt, sondern war über eine Ausweichstrecke mitten durch die kleine Gemeinde Heek gerollt. Ob das rechtmäßig war, konnte der Einsatzleiter der Polizei nicht beantworten.

„In der Beförderungsgenehmigung sind zwei Routen detailliert geschrieben. Von einer Ortsdurchfahrt durch Heek steht da nichts“, erklärt Matthias Eickhoff von der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“. In einer Nebenbestimmung zur Genehmigung heißt es, dass die Route sowie die Abfahrtszeit des Konvois kurzfristig geändert werden könnte, wenn zum Beispiel die Strecke nicht befahrbar ist. Darauf hatte sich auch die Polizei berufen: Wegen der Blockade der Zufahrt zum Zwischenlager seien die geplanten Routen nicht befahrbar gewesen, so ein Polizeisprecher. „Die alternative Route war genehmigt.“

Voraussetzung für eine Umleitung der Castoren sind allerdings Koordinierungsgespräche zwischen den beteiligten Innenministerien und dem Transportunternehmen Nuclear Cargo und Service GmbH (NCS). Die Atomgegner bezweifeln jedoch, dass es diese Gespräche in der Nacht wirklich gegeben hat. „Wir haben Karten der Polizei gesehen, auf denen waren die beiden offiziellen Routen nicht einmal eingezeichnet, sondern nur Ausweichstrecken, von denen in der Genehmigung nicht die Rede ist“, so Eickhoff. Er ist überzeugt, dass es sich nicht um eine spontane Entscheidung gehandelt hat, sondern ein lange geplantes Täuschungsmanöver der Polizei war. Die Blockade sei jedenfalls kein Grund für eine Umleitung gewesen. „Die hätte man doch wegräumen können“, so Eickhoff.

Auch der Münsteraner Grünen-Politiker und Verwaltungsrechtler Wilhelm Achelpöhler glaubt deshalb nicht, dass die Innenminister die Entscheidung kurzfristig getroffen haben: „Ich habe so meine Zweifel, dass die Innenminister nachts über die Umleitung beraten haben.“ Die Bürgerinitiative diskutiert nun, ob sie gegen das Transportunternehmen und die Landesregierung Strafanzeige stellen wird wegen der „unerlaubten Beförderung von Kernbrennstoffen“.

Der CDU-Bürgermeister von Heek versteht die Aufregung der Atomkraftgegner nicht. Dass die Route des Konvois nun mitten durch sein Stadtgebiet geführt hat, habe ihn zwar auch überrascht, sagt Kai Zwicker. „Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft keine weiteren Transporte durch Heek fahren, aber die Brennstäbe sind ja nun mal da und müssen irgendwo hin.“ Und ob die Castoren nun durch Heek oder eine andere Kommune gefahren würden, sei ja auch egal, man teile nun mal das gleiche Schicksal. Wichtig sei letztlich nur, dass alles reibungslos geklappt habe, findet Zwicker.

„Der Bürgermeister muss sich nicht wundern wenn demnächst noch mehr Castoren durch seine Stadt rollen“, erklärt Atomkraftgegner Eickhoff. Die Gefahren solcher Transporte mitten durch die schmalen, kurvigen Straßen der Innenstadt würden einfach weiter ignoriert: „Dabei plant man in Heek seit Jahren, eine Umgehungsstraße zu bauen, weil die Ortsdurchfahrt so eng und kurvig ist.“ ULLA JASPER