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: „Die Natur ist Lehrmeisterin und Heilerin“

Die Ausstellung „Should Trees Have Standing“ hinterfragt in Hamburg unser Verhältnis zur Natur

Interview Jonas Kähler

taz: Elisabeth Weydt, welche Bedeutung hat die Natur für Sie?

Elisabeth Weydt: Die Natur ist für mich so vieles. Vor allem ist sie Lehrmeisterin und Heilerin. Sie steht für Kreativität und für Hoffnung.

Die ökologische Zerstörung schreitet jedoch immer weiter voran. Stimmt etwas nicht mit dem menschlichen Verhältnis zur Natur?

Ich glaube, das ist das Grundproblem, was wir auf diesem Planeten gerade haben. Wir sehen die Natur nicht als Subjekt und als ein Wesen, vor dem wir Respekt haben sollten, sondern als eine Ware, als einen Supermarkt, in dem wir uns einfach bedienen können, sogar ohne dafür etwas zu bezahlen. Wenn wir uns klarmachen würden, dass die Natur lebt und dass wir ja eigentlich auch Natur sind, dann würde sich automatisch sehr viel ändern. Deswegen bin ich auch ein großer Fan der Idee von Rechten für die Natur.

Sie wollen die Beziehung des Menschen zur Natur neu denken?

Foto: Maria Sturm

Elisabeth Weydt

Jahrgang 1983, Journalistin, Autorin, Mitgründerin von Radio Utopistan e. V.

Ein großes Wort für mich ist dabei „Respekt“, dass wir der Natur auf Augenhöhe begegnen. In vielen Ländern und Gemeinschaften, insbesondere indigenen Gemeinschaften, ist das schon lange real. Und sogar in Deutschland gibt es mit Humboldt und Carlowitz seit Jahrhunderten die Idee einer Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur. In Ecuador ist nun seit 2008 in der Verfassung verankert, dass die Natur Rechte hat und Menschen in ihrem Namen für diese Rechte vor Gericht ziehen können.

Sie haben ein Buch über diese Idee geschrieben, jetzt nähern Sie sich dem Thema künstlerisch. Was bietet der künstlerische Zugang?

Ich denke, dass wir lange genug mit unserem Intellekt versucht haben, ein nachhaltiges Leben zu gestalten. Wir kennen die Zahlen und Fakten schon seit Jahrzehnten und trotzdem schaffen wir es nicht, unser Leben und unsere Systeme zu ändern. Wir müssen das Herz und die Seele ansprechen. Und das funktioniert besser über Kunst und Gespräche als über Excel-Tabellen.

Gab es eine Inspiration dafür, dass sich diese Ausstellung mit dem Verhältnis zur Natur beschäftigt??

Ausstellung „Akut – Should Trees Have Standing?“: bis 2. 6, Hamburg, Westwerk, Admiralität­straße 74; Infos: www.westwerk.org/akut.html

Sam Gora, die Chef-Kuratorin, und ich kennen uns bereits seit 2006 durch einen Freiwilligendienst in Ecuador. Dann wurde sie Künstlerin und Kuratorin und ich Journalistin. Jetzt hat uns die akute Krise und die Faszination für diese Idee der Natur als Rechtsperson wieder zusammengebracht. Wir haben unsere beiden Expertisen zusammengeworfen und geschaut, was wir damit auf die Beine stellen können.

Wie nähert sich die Ausstellung dem Thema?

Die Ausstellung findet an drei gut fußläufig erreichbaren Orten statt. Wir haben Kunstwerke von Künst­le­r:in­nen aus verschiedenen Ländern – Kongo, Frankreich, Deutschland, Palästina, Ecuador – und auch aus verschiedenen Materialien. Es gibt Fotos, Videos, Skulpturen, Sound, wir wollen sämtliche Sinne ansprechen und so die Gedanken und vor allem das Herz der Zu­schaue­r:in­nen anregen. Was bedeutet mir Natur eigentlich? Wie ist mein Verhältnis zur Natur und bin ich damit glücklich? Wir schwingen nicht die Moralkeule, viel eher soll es eine Inspiration sein, neue Gedanken anzustoßen. Zusätzlich gibt es Veranstaltungen, an denen man sich selbst beteiligen und in Austausch treten kann.