Minutiöse Auflistung

Polizei-Einsatzleiter soll im Bauwagenprozess Rede und Antwort stehen. Verteidigung pocht auf Grundrechte

Im Prozess um die Bauwagendemo vom 24. April 2004 in St. Pauli soll der damalige Einsatzleiter vor Ort, Thomas Mülder, bestätigen, dass er selbst von einer rechtmäßigen Versammlung ausgegangen sei. Zumindest habe er den Kundgebungsteilnehmern diesen Eindruck vermittelt, argumentierte gestern die Verteidigung. Mülder habe somit „rechtswidrig die Auflösung der Versammlung verfügt“.

In ihrem Antrag listen die Anwälte nicht nur minutiös die Handlungsweisen der Polizei an jenem Tag in der Hafenstraße auf, sondern beäugen sie auch unter Grundrechtsaspekten. So sei, wenn eine Versammlung bis 9 Uhr genehmigt und ein Versammlungsleiter gefunden worden sei, ein „Vertrauenstatbestand“ eingetreten. Tatsächlich stand damals um 8.47 Uhr mit dem Ex-Regenbogen-Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch ein Versammlungsleiter zur Verfügung. Trotzdem habe Mülder zeitgleich die Auflösung angeordnet. Es sei „mit den Grundrechten schlechterdings unvereinbar“, so Verteidiger Carsten Gericke, „nachträglich eine Grundrechtsausübung strafrechtlich als Nötigung zu verfolgen“. Das verfassungsrechtliche „Bestimmtheitsgebot“ sichere den „individuellen Schutz des Normaladressaten“, dieser sei von der Polizei auf mögliche strafrechtliche Sanktionen hinzuweisen.

Verkehrsrichter Lutz Nothmann möchte bis zum 16. Juni über die komplexen Verfassungsrechtsfragen nachdenken. Ob Mülder überhaupt aussagen wird, ist fraglich. Gegen ihn läuft eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung – aufgrund der Demolierung von Wohnlastern während der von ihm angeordneten Räumung. kva