Immer mehr ohne Job

100.000er-Marke überschritten: Anders als im Rest der Republik steigt die Arbeitslosigkeit in Hamburg weiter. Opposition wirft Senat „Versagen“ vor

von Eva Weikert

Entgegen dem Bundestrend ist in Hamburg die Arbeitslosigkeit im vergangenen Monat weiter angestiegen. Zugleich wurde erstmals die 100.000er-Marke überschritten. Im Mai kletterte die Zahl der Arbeitslosen in der Stadt um 2.771 oder 2,8 Prozent auf 101.794, wie die Arbeitsagentur gestern mitteilte. „Und sie wird noch weiter steigen“, kündigte Agenturchef Rolf Steil an. Ohnehin hat Hamburg schon jetzt noch 7.000 Arbeitslose mehr: So viele Menschen machen zurzeit einen der befristeten Ein-Euro-Jobs und werden in der Statistik nicht mitgezählt.

Hamburg ist das einzige Bundesland, dass im Mai eine Zunahme der Arbeitslosigkeit verzeichnet. Im Rest der Republik sank die Zahl der Menschen ohne Job im Schnitt um 3,2 Prozent auf insgesamt 4.806.589. Im Vergleich zum Mai des Vorjahres waren bundesweit zwölf Prozent mehr Menschen arbeitslos gemeldet, in Hamburg mit 21,2 Prozent fast doppelt so viele. Die Arbeitslosenquote in der Stadt ging um 0,3 Punkte auf 11,7 Prozent hoch. Zwei Drittel der Hamburger Arbeitslosen sind mehr als ein Jahr ohne Job und kriegen nur die 345-Euro-Einheitsstütze ALG II. Die größten Gruppen unter allen Arbeitslosen stellen Arbeiter, Frauen und Migranten.

Die steigenden Zahlen, beschwichtigte Behördenchef Steil, seien „kein Drama, sondern ein Erfassungsthema“. Grund für den weiteren Anstieg sei die Neuordnung des Stützesystems durch das Hartz-IV-Gesetz. Demnach werden seit dem Jahreswechsel erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in die Arbeitsvermittlung einbezogen.

Die Stadt hat bisher etwa 90 Prozent ihrer frühreren Sozialhilfeempfänger als erwerbsfähig deklariert, die statt Stütze von der Kommune nun ALG II vom Bund bekommen. Die Neuzugänge in der Statistik seien ausschließlich frühere Sozialhilfeempfänger, so Steil. Gegenüber anderen Ländern habe sich deren Erfassung hier „verzögert“.

Mit Blick auf einen möglichen Regierungswechsel im Herbst äußerte Steil zwei „Wünsche“. Zum einen sei der Begriff der Erwerbsfähigkeit „näher an der Verfügbarkeit zu definieren. Wir schleppen viele Kranke in der Arge mit, die in einem halben Jahr nicht wieder fit sind.“ Um mehr Jobs zu generieren, müssten zugleich vor allem einfache Tätigkeiten „billiger werden“, sprich: Löhne und Nebenkosten gesenkt werden, so der Beamte.

Die Opposition macht den CDU-Senat für die sich zuspitzende Krise verantwortlich: Mit den jünsten Zahlen nähere sich Hamburg „endlich der Wahrheit an“, reagierte die GAL-Fraktion. Der Senat habe in der Arbeitsmarktpolitik „versagt“.

Das meint auch die SPD. Hartz IV „deckt erst das wahre Ausmaß der versteckten Arbeitslosigkeit auf“, so der Abgeordnete Hans-Christoff Dees. „Damit zeigt sich, dass die CDU-Kürzung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik um 43,7 Millionen Euro seit 2002 auf Kosten der Betroffenen gegangen ist.“ Die Millionen-Einsparungen der Stadt durch Hartz IV müssten jetzt in die Schaffung von Jobs investiert werden.