Datenschutz
: Die in die Karten schauen

Das Aufregerthema der 80er Jahre ist zum Langweiler geworden. Datenschutz interessiert so recht niemanden mehr, will es scheinen. Die Schreckgespenster, die rund ums Orwell-Jahr 1984 die Republik heimsuchten, sind heimisch geworden: Lauschangriffe, DNA-Analysen, Genbanken, elektronischer Datenabgleich: Längst ist der Überwachungsstaat Realität geworden.

Kommentarvon Sven-Michael Veit

Nachgerade putzig erscheint im Rückblick der einstige Widerstand gegen Volkszählung und maschinenlesbaren Personalausweis, nachgerade skrupellos wirft jedeR von uns persönliche Daten auf den Markt: Wir lassen uns in die Karten schauen – in Bahn- und Budnicard ebenso wie in EC- und Kreditkarten, die in Shop und Internet gedankenlos zum Einsatz kommen.

Dies kann jedeR Einzelne selbst steuern und damit Einfluss nehmen auf die Mobilitäts- und Konsumprofile, an denen Dritte interessiert sind. Der Sicherheitswahn jedoch ist individuell nicht beherrschbar.

Seit dem 11. September drohen die selbst ernannten Kontrolleure unkontrollierbar zu werden. Wer künftig in dieser Stadt drei Minuten vor einer Bankfiliale steht, darf sich über vorbeugende Inhaftierung nicht mehr wundern, gilt diese doch als potenzieller Ort einer potenziellen Straftat. Schönen Dank an al-Qaida.

In Zeiten wie diesen ist der Datenschutz in der Defensive, zuvörderst, weil er denen, die zu schützen sind, offenbar recht gleichgültig ist. Da wäre es ehrlicher, ihn gleich ganz abzuschaffen, bevor er zum Feigenblatt für nackte Sammelwut degeneriert.