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Abrechnung mit Schwarz-Rot

Auf ihrem Parteitag gab sich die Linke attackenfreudig. Die Gaza-Debatte endete mit Nichtbefassung

Von Rainer Rutz

Pünktlich zum einjährigen Jubiläum der Wahl von CDU-Chef Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister hat sich die Linke am Samstag ausführlich Zeit für eine Abrechnung mit Schwarz-Rot genommen. „Die Ber­li­ne­r:in­nen haben nichts zu feiern“, sagte Landeschefin Franziska Brychcy beim Parteitag in einem Tagungshotel in Lichtenberg. Viele Menschen in der Stadt hätten „die Schnauze voll“ vom Senat, befand ihr Co-Chef Maximilian Schirmer.

CDU und SPD, so der Tenor, machten konsequent Politik auf dem Rücken der Mie­te­r:in­nen, Beschäftigten und Geflüchteten. Der Senat betreibe „Klassenpolitik von oben“, trete die direkte Demokratie mit Füßen, spalte die Gesellschaft, verschleudere Geld für Nonsensprojekte wie Olympia und betreibe den Ausverkauf der Stadt – eine besser verdienende Klientel fest im Blick. „Wir sind die soziale Opposition, der Gegenpol zur CDU“, so Linken-Parteichef Schirmer vor den gut 140 Delegierten. Mit der SPD hielt man sich nicht lange auf.

Konkret gefordert wurde die Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, eine Erhöhung des Landes- und Vergabemindestlohns von 13 auf 15 Euro brutto, die Hauptstadtzulage für Beschäftigte freier Träger, die Ausweitung des Wohnberechtigungsscheins auf Geflüchtete, die Abschaffung des Konzepts „kriminalitätsbelasteter Orte“ und Zahlreiches mehr – allein im Leitantrag des Landesvorstands.

Vieles davon ist nicht neu. Vermutlich nichts davon dürfte von CDU und SPD in dieser Legislaturperiode aufgegriffen werden. Es ging augenscheinlich darum, die unterschiedlichen Forderungen knackig zusammenzufassen oder – wie es so schön im Parteideutsch heißt – „zusammenzudenken“.

Doch in der Wiederholung liegt die Kraft: Der nächste Wahlkampf beginnt voraussichtlich in gut zwei Jahren. Mit den Worten von Landeschef Schirmer: „Wir wollen natürlich 2026 in der Position sein, dass niemand an uns vorbeikommt, und legen dafür jetzt die ersten programmatischen Weichen.“

Mitgliederzahl gestiegen

Tatsächlich steht die Linke in Berlin passabel da. Nicht nur die Mitgliederzahl ist seit Herbst ordentlich gestiegen. Auch liegt die Partei in einer Umfrage des RBB stabil bei 10 Prozent. Kein Grund zum Jubeln, aber angesichts der Umfragewerte von 2 bis 4 Prozent im Bund doch beachtlich, wie ein führendes Mitglied am Rand des Parteitags zur taz sagte.

Umso wichtiger ist es für Schirmer und Brychcy, den Laden zusammenzuhalten. Es komme jetzt auch darauf an, „ob wir geschlossen bleiben und solidarisch diskutieren oder uns öffentlich und persönlich angreifen und demontieren“, appellierte Schirmer. Mit Selbstdemontage hat die Partei Erfahrung, das migrationsfeindliche und russlandfreundliche „Bündnis Sahra Wagenknecht“ lässt grüßen.

Auch der Parteitag ließ Selbstdemontagepotenzial vermuten. Für Nervosität sorgten im Vorfeld zwei Anträge aus Neukölln und Mitte, die eine propalästinensische Positionierung zum Krieg im Gazastreifen einforderten, das umstrittene Reizwort „Völkermord“ inklusive. Dezidiert israelsolidarischen Kräften in der Partei trieb das den Puls hoch. Auch der Parteispitze ging das zu weit. Zusammen mit den Vorsitzenden von acht Bezirksverbänden suchten Brychcy und Schirmer den Kompromiss und brachten einen eigenen Antrag ein, der die anderen beiden ersetzen sollte. Auch hier wurde ein Ende der Kriegshandlungen verlangt, von einem israelischen „Völkermord“ an den Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen war indes keine Rede.

Doch der große Knall blieb aus. Keiner der Anträge wurde beschlossen oder abgelehnt. Dafür setzte sich ein weiterer Antrag auf Nichtbefassung mit 68 zu 49 Stimmen durch. „Beschlüsse des Landesverbands werden nichts an der Situation in Gaza ändern“, plädierte Antonio Leonhardt vom Bezirksverband Lichtenberg für den Nichtbefassungsantrag. Außerdem seien konstruktive Debatten zu einem derart emotionalen Thema bei maximaler Redezeit von vier Minuten kaum möglich.

Die Anträge zu Gaza seien einfach „abgebügelt“ worden, beschwerte sich am Ende der Parteitagsdebatte Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform in einer persönlichen Erklärung. „So etwas hat negative Folgen,“ drohte die 77-Jährige. Die Delegierten aus Neukölln und Mitte applaudierten fleißig.

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