Die schönere Elf

Frauenfußball ist nicht nur eine Geschichte von Verbot und Spott. Er ist Teil einer erfolgreichen Emanzipation

Das waren Spiele: „Es knallten haushohe Kopfbälle von Dauerwelle zu Dauerwelle. Mit weicher Markenbutter-Flanke saust das Leder, daß sich die Wollstutzen kringeln …“! Spielberichte wie dieser aus den 50er-Jahren zeichnen ein schönes Bild davon, wie es damals um den Frauenfußball stand, welches Image er hatte. Denn der Frauenfußball war lange eine Geschichte von Verboten und Spott, „Verlacht, verboten und gefeiert“, wie die erste Ausstellung zum Frauenfußball bezeichnenderweise heißt. Vorgestern wurde sie in Aachen eröffnet. Sie zeigt nicht nur groteske Zeitdokumente, Karikaturen und Devotionalien, sondern lässt auch Zeitzeuginnen zu Wort kommen.

Schon im Kaiserreich fürchtete man, Kampfsport wie Fußball führe „zur Schwächung des weiblichen Züchtigkeitsgefühls“, zudem würden „durch Springen oder Beinspreizen die Sexualorgane der Mädchen aus ihrer Lage gebracht werden“. In der liberaleren Weimarer Zeit gründete sich 1930 in Frankfurt der erste deutsche Damenclub. Bei den Nazis war schnell Abpfiff: Fußball passte nicht zur „Würde des Weibes“ und den „völkischen Mutteraufgaben“.

An dieser Einstellung hatte sich auch in den Nachkriegsjahren, die Nendza „die graue Zeit“ nennt, nicht viel geändert. Frauenfußball – da war der DFB vor wie eine Clique christlicher Mullahs. Er untersagte seinen Clubs, dem anderen Geschlecht Plätze zu überlassen, denn Frau am Ball sei „jeglichem sportlichem Empfinden widersprechend“. Dokumente belegen sogar eine Platzräumung in Duisburg.

Die Frauen spielten trotz Verbot des DFB in eigenen Clubs. Die Ausstellungs-Exponate zeigen sie trotzig kickend, mal linkisch, mal elegant, kokett posierend oder in harten Kampfszenen, oft vor großer Kulisse. Zu sehen sind das Plakat des ersten und einzigen DDR-Länderspiels 1990 (0:3 gegen die CSFR) und der Pass von Christina Theune, der ihr 1976 die Zulassung als „Weiblicher Trainer“ bescheinigt. Heute ist sie als Tina Theune-Mayer Nationaltrainerin jener Elf, die ab 5. Juni in England wieder um die EM spielen wird.

Nendza weist auf die „Geschichte weiblicher Subversion“ hin, die nicht erst „als Folge der 68er, sondern viel früher“ begann. Männliche Kommentatoren lebten derweil ihren Sexismus aus: Sie entdeckten hier „Baumstammwaden“, sahen dort „die Oberweite im Weg“ und analysierten fachstark: „Die schönere Elf verlor.“ Als 1970 mindestens 40.000 Fußballspielerinnen aktiv sind, gibt der DFB „auf Grund der eingetretenen Entwicklungen“ sein Verbot kleinlaut auf.

Heute sind 850.000 Frauen und Mädchen in Deutschland aktiv, weltweit 20 Millionen. Schon 1998 stiftete der DFB den erfolgreichen deutschen Fußballfrauen eigene Trikots – vorher mussten sie in abgelegten Männer- oder Jugendleibchen auflaufen. Die Klischees haben sich jedoch bis heute hartnäckig gehalten: zum ersten Europa-Titel 1989 überreichte der DFB seinen siegreichen Spielerinnen ein 40-teiliges Geschirrservice.BERND MÜLLENDER

„Verlacht, verboten und gefeiert“, VHS Aachen, 30. Mai bis 25. Juni 2005