Kongo nimmt Hutu-Kämpfer in die Schusslinie

Spirale der Gewalt im Osten des Landes nach einem von ruandischen Hutu-Milizen verübten Massaker mit Macheten

BERLIN taz ■ Es war ein Massaker wie in Ruanda 1994. Mit Macheten wurden 18 Zivilisten zu Tode gehackt. Die Täter: ruandische Hutu-Milizionäre.

Aber die Opfer waren Kongolesen, und das Massaker geschah in der Nacht zum 24. Mai in Ninja im ostkongolesischen Distrikt Walungu, tief im Wald der Provinz Südkivu. Walungu ist eine Hochburg der Milizen aus Ruanda, die 1994 nach vollzogenem Völkermord in das heutige Kongo flohen. Ihr ursprüngliches Ziel – aus Kongo heraus Ruanda zurückerobern, wo heute Tutsi regieren – haben die einfachen Milizionäre längst aufgegeben. Sie leben von Schmuggel und Diebstahl. Nach einer UN-Untersuchung haben die Milizen in Walungu in den letzten zehn Monaten 177 Menschen getötet, 320 vergewaltigt und 465 entführt.

Das Massaker von Ninja dürfte die Milizen nun endgültig ins politische Abseits stellen. Kongos Regierungsarmee kündigte eine Offensive an, um „unsere Bevölkerung zu schützen“. Die Offensive soll der Repatriierung der Hutu-Kämpfer nach Ruanda nachhelfen, wo ein staatliches Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramm auf sie wartet.

Der politische Arm der Milizen, „Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR), behauptet, für das Massaker seien nicht ihre Kämpfer verantwortlich, sondern eine Abspaltung namens „Rasta“. Aber aus kongolesischer Sicht ist diese Unterscheidung fiktiv. In Ninja entdeckten FDLR-Kämpfer die Leichen als Erste.

Die FDLR hatte eigentlich Ende März ein Ende ihres Kampfes verkündet. Dann aber schob sie politische Bedingungen wie die Auflösung der ruandischen Dorfgerichte für Völkermordverdächtige nach. Statt die Waffen niederzulegen, verstärkten die Milizen ihre Angriffe, während FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka von der UN-Blauhelmmission als Friedensbringer hofiert wurde.

In der Provinz Nordkivu können die FDLR-Milizen auf Unterstützung von Kongos Regierung zählen, die sie als Verbündete gegen die lokal mächtige ruandischstämmige Minderheit betrachtet. 53.000 Menschen sind nach UN-Angaben vor Milizenangriffen nach Ruanda geflüchtet. Lokale Quellen in Nordkivu warnen vor einer Spirale ethnischer Gewalt.

In Südkivu aber verlieren die Behörden die Geduld. Aus Walungu werden Kämpfe gemeldet. Die UNO registrierte am Wochenende in Ihembe nahe dem Kampfgebiet 1.280 geflohene Familien – 6.000 Menschen.

Die UN-Blauhelme in Ostkongo wollen gegen die Milizen keine Gewalt anwenden. Sie beschränken sich auf Patrouillen. Kongos „Armeeoffensive“ in Walungu ist daher nicht mehr als eine Serie von Angriffen lokaler Dorfmilizen, so genannter Mayi-Mayi. Anfang Mai töteten diese im Nachbardistrikt Shabunda 25 FDLR-Kämpfer aus Protest gegen deren Übergriffe; zahlreiche FDLR-Milizionäre zogen sich daraufhin nach Walungu zurück.

Eventuell gibt es für den Kongo aber Hilfe von anderer Seite. Die Regierung könnte die Afrikanische Union (AU) um eine Interventionstruppe gegen die Hutu-Kämpfer bitten. Die AU hat für diesen Fall ein Eingreifen bereits zugesagt. DOMINIC JOHNSON