Koks im Wolkenkukucksheim

Vorsichtig kassiert der Essener Bergbaukonzern RAG seine hochfliegenden Pläne zum Ausbau der Koksproduktion. Selbst ein Abschied von der Kohle scheint plötzlich denkbar

ESSEN taz ■ Der Essener Bergbaukonzern RAG verabschiedet sich von Plänen zum Ausbau der Koksproduktion. Die geplante Erweiterung der Bottroper Kokerei Prosper wird aufgegeben, so der RAG-Vorstandsvorsitzende Werner Müller. Das Projekt sei betriebswirtschaftlich unsinnig – der Stahlkonzern ThyssenKrupp will seine Kokerei in Duisburg-Huckingen erweitern und die Kapazität der Anlage auf 2,4 Millionen Tonnen verdoppeln.

Noch im März hatte sich die RAG – die frühere Ruhrkohle AG – als letzter verbliebener deutscher Steinkohleförderer um eine Ausbaugenehmigung für Prosper bemüht. In Bottrop sollten zwei neue Kokereibatterien mit je 46 Koksöfen entstehen. Kunden wie die Stahlkonzerne Arcelor aus Luxemburg oder die österreichische Voestalpine sollten den Neubau mit rund 300 Millionen Euro mitfinanzieren. Das Ende der Pläne begründete Müller jetzt auch mit Überlegungen ThyssenKrupps, langfristig alle Kokereien in einer gemeinsamen Gesellschaft aufgehen zu lassen.

Am Bau einer neuen Kokskohlenzeche nördlich von Hamm hält der parteilose Müller, Wirtschaftsminister im ersten Kabinett Schröder, dagegen fest. Finanziert werden könne das Projekt angesichts hoher Kokspreise durch private Investoren – dabei gilt die RAG-Bergbausparte als hoch defizitär: Nach dem zwischen Kanzler Schröder und seinem Ex-Wirtschaftsminister ausgehandelten Kohlekompromiss sollen bis 2012 allein 13 Milliarden Euro Subventionen aus Bundesmitteln fließen. Das Land Nordrhein-Westfalen wäre mit weiteren drei Milliarden dabei.

Den vom designierten Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angekündigten massiven Subventionskürzungen scheint der RAG-Chef aber durchaus aufgeschlossen gegenüber zu stehen: „Es ist das Recht der Politik, die Kohlepolitik festzulegen. Es wäre letztlich auch das Recht der Politik, den deutschen Steinkohlebergbau zu schließen“, findetMüller. Betriebsbedingte Kündigungen dürfe es aber nicht geben. Hintergrund sind Pläne, die RAG an die Börse zu bringen. Der Erlös von bis zu sechs Milliarden Euro soll der öffentlichen Hand zufließen, die im Gegenzug sämtliche Bergbaurisiken, etwa durch Bergschäden, übernehmen müsste. Müller setzt seit längerem verstärkt auf die Branchen Chemie, Energie und Immobilien. ANDREAS WYPUTTA