Unter UN-Aufsicht: Neue Gewaltwelle in Haiti

Gegen den Wunsch Kofi Annans beschließt der UN-Sicherheitsrat nur eine Verlängerung des UN-Mandats um 24 Tage

SANTO DOMINGO taz ■ Bei einem Brandanschlag in der Innenstadt von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sind am Dienstagnachmittag acht Menschen verbrannt. Mehrere Dutzende Personen wurden schwer verletzt. Große Teile des belebten Zentralmarktes wurden durch das Feuer zerstört, die kleinen Stände der zahlreichen ambulanten Händler in der Nähe des Armenviertel Cité Soleil ein Raub der Flammen. Nach Informationen der haitianischen Nachrichtenagentur Alterpress beträgt der Schäden mehr als 1 Million US-Dollar.

Nach Augenzeugenberichten versuchten am Dienstagnachmittag 20 bis 30 bewaffnete Männer die Polizeistation in der Nähe des Marktes zu stürmen. Es soll sich nach Angaben eines Polizeisprechers um so genannte Chimères, militante Anhänger des im Februar vergangenen Jahres gestürzten Staatspräsidenten Jean-Bertrand Aristide, handeln.

Bereits am Montag dieser Woche war es zu einem blutigen Zwischenfall gekommen, als Bewaffnete den französischen Honorarkonsul aus der nördlichen Hafenstadt Cap Haitïen, Paul-Henri Mourral, in der Nähe des Flughafens von Port-au-Prince in seinem Fahrzeug erschossen.

Vor einem Jahr hatte ein UN-Blauhelmkontingent das Schutzmandat für Haiti übernommen. Unter dem Kommando Brasiliens sollen insgesamt 6.000 Soldaten und 1.400 Polizisten für Sicherheit im Armenhaus Lateinamerikas sorgen – bisher mit geringem Erfolg. Rund 40 Länder beteiligen sich an dem Blauhelm-Einsatz, darunter erstmals auch China.

Der UN-Sicherheitsrat hat derweil auf seiner Sitzung in New York beschlossen, das Mandat für die UN-Mission, das auf ein Jahr begrenzt war, vorerst um 24 Tage zu verlängern. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte die Verlängerung um ein Jahr vorgeschlagen, einige Sicherheitsratsmitglieder wollten um wenigstens sechs Monate verlängern. Doch dazu konnte sich der Sicherheitsrat trotz – oder womöglich wegen – der jüngsten Gewaltwelle nicht durchringen. Mehrere UN-Mitglieder fordern eine Aufstockung der Blauhelmtruppe. Die International Crisis Group schlägt in ihrem jüngsten Haiti-Bericht (www.icg.org) darüber hinaus auch eine deutliche Ausweitung des Mandates vor.

In den vergangenen Monaten haben die Gewalttätigkeiten erheblich zugenommen. Militante der von Ex-Priester Aristide gegründeten Lavalas-Bewegung hatten mehrmals Stadtteile der Hauptstadt abgeriegelt und sich Schusswechsel mit der haitianischen Polizei und Minustah-Truppen geleifert. Im März hatten bei einem bewaffneten Überfall Angehörige des von Aristide aufgelösten haitianischen Heeres, die die Wiedereinführung der Armee fordern, drei UN-Soldaten erschossen. Nach Informationen von haitianischen Menschenrechtsorganisationen sind seit September mindestens 650 Menschen, darunter 40 Polizisten, bei gewalttätigen Zusammenstößen oder Anschlägen getötet worden. Für November diesen Jahres stehen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an. Allerdings haben sich bisher lediglich 1,2 Prozent der 4 Millionen Stimmberechtigten ins Wahlregister eintragen lassen.HANS-ULRICH DILLMANN