Jon Stewart zurück mit „Daily Show“: Trostspender fürs liberale Amerika
Drei Präsidenten hat er mit seiner Show satirisch begleitet, nun kehrt Jon Stewart nach langer Pause zurück. Ein Blick in die progressive Seele Amerikas.
16 Jahre lang hatte Stewart die „Daily Show“ moderiert, vier Abende pro Woche das politische Geschehen der USA aus linksliberaler Perspektive aufgearbeitet, oft mit verdammt witzigen Monologen, gelegentlich sogar mit großem Ernst.
Clinton, Bush, Obama, die Präsidenten kamen und gingen, mit ihnen Krisen, Kriege und Peinlichkeiten – Stewart war immer da. Manche sagen, dass er Trump hätte verhindern können, wäre er doch nur etwas länger geblieben. Andererseits glauben viele Amerikaner:innen auch, dass Big Foot existiert.
Seit Februar ist Stewart zurück. „A second term we can all agree on“, steht auf den Werbeplakaten, die derzeit in New York hängen. „Eine zweite Amtszeit, auf die wir uns alle einigen können.“ Ist natürlich ironisch gemeint. Während die USA gerade in den höchsten Gang der Hyperventilation, aka Wahlkampf, schalten, und die eine Seite eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus und die andere Seite ein dortiges Verbleiben Bidens fürchtet, funkt Stewart mit seinem Comeback dazwischen, die freche Distanzierung zu sich selbst inklusive: Der fehlt ja gerade noch.
Ein Win-Win-Win?
Der schlimme Verdacht wäre nun, dass der ironische Plakat-Spruch unfreiwillig eine Wahrheit transportiert: Stewart ist der Satiriker, auf den sich alle einigen können, rechts, links, Mitte. Jede:r bekommt das, was er braucht. Win-win-win.
Zunächst aber die Frage: Was darf Satire?
Kleiner Spaß, das ist ja zum Sterben langweilig.
Schauen wir lieber, was Satire konkret kann, denn mit dieser Frage stößt man im Zweifel auf echte Probleme. Beobachten wir, wie Stewart diese halbe Stunde jeden Montagabend bei Comedy Central füllt, mit welchen Themen und Gästen. Blicken wir in die Seele des progressiven Amerikas, da muss doch was zu holen sein.
Das Erste, was auffällt, als Stewart Mitte Februar wieder an seinem Fernsehschreibtisch sitzt: Der Mann, inzwischen 61, scheint einfach perfekt zu altern. Silberne Haare, zartes Stirnrunzeln, schicker Dreitagebart, schlankes Gesicht. Ums Alter geht es dann auch, Bidens natürlich. 81 ist der Präsident, das ist ein Problem. Es ist allerdings auch das offensichtlichste Problem, über das sowieso schon alle reden. Deshalb hätte man von Stewart erwarten können, dass er sich ein anderes Thema sucht, etwas Originelleres. Womöglich will er am Anfang auch nur klarmachen, dass bei ihm alle auf den Deckel bekommen werden, nicht nur die Rechten, sondern auch die Democrats und ihr fast schon bemitleidenswert fragiler Chef.
Zu Gast ist die Chefredakteurin des britischen Nachrichtenmagazins The Economist, Zanny Minton Beddoes, die den sachlichen Blick von außen liefern soll. Biden habe nach einer „unglaublich“ erfolgreichen ersten Amtszeit nicht die Zeichen der Zeit erkannt und Platz für die neue Generation gemacht, beklagt sie. Zusammen machen sich Minton Beddoes und Stewart Sorgen, dass der Westen von einem neuen Nationalkonservatismus bedroht werde, von Trump, Putin, Orbán und Konsorten. Früher habe Kommunismus versus Kapitalismus die Welt geordnet, so Stewart, heute anti-woke versus woke. Wehmut über den Niedergang eines vernünftigen Konservatismus schwingt da mit. Ach, Kalter Krieg, wo bist du nur.
20 Jahre Fernsehfeindschaft
Eine Woche drauf ist er zurück, der Kalte Krieg! Zumindest in der „Daily Show“. Stewart macht sich über ein Interview lustig, das der rechte TV-Moderator Tucker Carlson in Moskau mit Russlands Präsident Putin geführt hat, vor allem über Carlsons rosige Beschreibungen des Moskauer U-Bahn-Systems, das schöner sei „als alles in unserem Land“. Mit Journalismus hat das gewiss nichts zu tun, wie Stewart bemerkt. Spott über die Dumpfbacke Carlson ist zwar irgendwie einfach, aber Stewart beherrscht es auch wirklich gut. Die beiden pflegen seit 20 Jahren eine Fernsehfeindschaft.
Absurd wird es, als Stewart in Reaktion auf Carlsons Russland-Propaganda zu einer Verteidigung der Vereinigten Staaten ansetzt, die wiederum auch was von Propaganda hat, aber eben liberaler. „Der Unterschied zwischen unseren nach Urin stinkenden, chaotischen U-Bahnen und euren mit Kerzenständern ausgestatteten, schönen U-Bahnen ist der buchstäbliche Preis der Freiheit“, so Stewart. Als wäre Freiheit nicht ohne Pissgeruch zu bekommen. Als wäre das öffentliche Verkehrsnetz der USA nicht deswegen desolat, weil über Jahrzehnte keine Investitionen stattfanden. Als würde Carlson sich nicht über Stewarts Reaktion freuen.
Man bekommt den Eindruck, dass Stewart den Fascho-Narrativen nur mit einem Nationalstolz der Mitte beikommen kann. Dazu passt es dann auch, dass er in einer Sendung einige Wochen später dem mehrfach angeklagten Trump und anderen Republikanern vorwirft, ihren Patriotismus nicht ernst genug zu meinen. Die Rechten täten laut Stewart nur so, als würden sie die Verfassung lieben – wirklicher Patriotismus sei es hingegen, die Gesetze zu achten. Irgendwie klingt das alles ein bisschen zu sehr wie das, was man zurzeit so von Biden hört, der ja auch dauernd den Mythos des „wirklichen“ – ergo guten –„Amerikas“ bemüht. Bei Biden kann man es noch verstehen: ein Politiker im Wahlkampf. Aber wäre es für einen Komiker wie Stewart nicht die Aufgabe, gerade diesen verklärten Patriotismus der Mitte aufzuspießen?
Das Dilemma der politischen Satire
Die folgenden Sendungen gewinnen an Substanz und verlieren an Witz, und vielleicht handelt es sich hierbei um das Dilemma politischer Satire. Stewart macht jedenfalls den Krieg im Nahen Osten zum Thema, fordert von der US-Regierung eine deutliche Positionierung gegen Israels „militärische Belagerung“ in Gaza, und spricht mit den zwei Journalisten Murtaza Hussain und Yair Rosenberg, die miteinander befreundet sind, aber unterschiedliche Haltungen haben, über mögliche Friedenswege. Den Abend beendet Stewart mit einem traurigen Abschied von seinem Hund Dipper, der kurz zuvor gestorben ist.
Als es Anfang März um das Thema Immigration geht, greift Stewart nicht nur Trumps rechte Panikmache beim Thema Kriminalität an, sondern betont auch die Heuchelei der Demokraten, die allzu schnell das Ideal der „We are a nation of immigrants“-Politik aufgäben, wenn es politisch gelegen ist. Sein Gast, der Journalist Jonathan Blitzer, spricht von einem „Teufelskreis“ der Symbolpolitik. Endlich wird der progressive Zuschauer mal ein kleines bisschen herausgefordert, womöglich sogar in Verlegenheit gebracht. Das ist ja genau das, was Satire kann: konstruktive Unbehaglichkeit erzeugen.
Am besten war Stewart über all die Jahrzehnte immer dann, wenn er an der Weltanschauung seines Publikums gerüttelt hat. Bis heute zieht niemand so witzig und charmant die Augenbrauen hoch wie er. „Angry Optimist“ lautet der Titel seiner Biografie, passend, weil Stewart bei aller Tirade weiter an das Gute Amerikas zu glauben scheint, den Sieg der Vernunft, trotz all des Wahnsinns.
Mit dieser Mischung aus Kritik und Pathos funktioniert er wie ein Trostspender fürs liberale Amerika. Man lacht mit, schüttelt gemeinsam den Kopf, „what the fuck are we doing here?“, schlummert anschließend friedlich und fragt am nächsten Tag im Büro: Habt ihr gesehen?
Man könnte es einen Bewältigungsmechanismus nennen, positiv formuliert. Oder eine Betäubungsmaschinerie, aber das klingt dann gleich so dramatisch. Und wenn man an Freud glaubt und von Stewart nichts hält, lässt sich auch eine Art Wiederholungszwang darin sehen, dass politische Satire immer noch so klingt, als wäre es 2015. Überbewerten darf man Stewarts Rolle jedenfalls auch nicht. Am Ende ist es nur Comedy. Präsidenten kommen und gehen, Stewart ist wieder da. Alles wiederholt sich, bis er wieder geht.
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