Firmen sparen, Aktionäre zahlen

Die Regierung lüftet das Geheimnis, wie sie die Senkung der Unternehmensteuern angeblich bezahlen will: mit einer höheren Steuer auf Einkünfte aus Dividenden

BERLIN taz ■ Wenn es nach Rot-Grün geht, werden Aktionäre bald stärker besteuert. Das schlagen Finanzpolitiker beider Parteien um Ortwin Runde (SPD) und Christine Scheel (Grüne) vor. Die Regierungsfraktionen wollen damit das fehlende Geld beschaffen, um die geplante Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen zu finanzieren.

Die Idee ist einerseits ein Versuch, die umstrittene Reform der Unternehmensbesteuerung nicht vorzeitig sterben zu lassen. Gleichzeitig dient der Vorschlag zur Profilierung gegenüber der Union im Hinblick auf die Bundestagswahl am 18. September.

Rund 740 Millionen Euro mehr will Rot-Grün dadurch einnehmen, dass die Steuer auf Aktien-Dividenden erhöht wird. Heute müssen Aktionäre die ausgeschütteten Gewinne nur zur Hälfte versteuern. Diese Grenze wollen Runde und Scheel auf 63 Prozent anheben.

Unter dem Strich würde sich die Belastung für Aktiengesellschaften und ihre Eigentümer dadurch nicht erhöhen, argumentiert auch das Bundesfinanzministerium. Die Logik ist folgende: Wenn, wie gestern von Rot-Grün in den Bundestag eingebracht, die Gewinnsteuer für Kapitalgesellschaften von 25 auf 19 Prozent sinkt, würden die Firmen höhere Dividenden ausschütten, die man dann bei den Aktionären wieder abschöpfen dürfe.

Zurzeit fehlen den Regierungsfraktionen noch ein paar Hundert Millionen Euro, um die geplante Senkung der Körperschaftsteuer durch höhere Einnahmen an anderer Stelle auszugleichen. Fraglich ist aber auch, ob die Union so kurz vor der Bundestagswahl noch ein rot-grünes Gesetz passieren lassen will. „Die sollen die Dividenden-Steuer erst mal in den Gesetzentwurf integrieren“, hieß es gestern in Kreisen der CDU-Fraktion.

Grundsätzlich hat die Union gegen eine Erhöhung der Dividenden-Steuer aber nichts einzuwenden. Um die Senkung der Erbschaftsteuer für mittelständische Unternehmen zu bezahlen, schlägt sie diese Maßnahme selbst vor – allerdings nur als Anhebung auf 57 Prozent. Ein Gegenargument der Union lautet nun, die von Rot-Grün vorgeschlagenen 63 Prozent seien zu hoch gegriffen: Man nehme den Aktionären mehr weg, als man den Unternehmen vorher erlassen habe. Zudem werfen Union und FDP der Regierungskoalition vor, nicht mehr wirklich an einer Verabschiedung der Gesetze interessiert zu sein. Vor der geplanten Vertrauensfrage am 1. Juli gehe es nur noch um Gesichtswahrung.

Um den sozialen Touch der SPD-Politik zu betonen, hat SPD-Fraktionsvize Joachim Poß gestern noch einen zweiten Vorstoß unternommen: Während seiner Rede im Bundestag versprach er den SPD-Linken, die Erbschaftsteuer auf Grundvermögen und sehr hohe Vermächtnisse anzuheben. HANNES KOCH