Gericht gibt „Mehmet“ eine „letzte Chance“

Bewährungsstrafe für zurückgekehrten Muhlis A. wegen Erpressung und Betrugs. Nur die Opfer sind neu: seine Eltern

MÜNCHEN taz ■ Er ist wieder zurück – da, wo er nach eigenen Aussagen nie mehr sitzen wollte: auf der Anklagebank des Münchner Jugendgerichts. Am Mittwoch wurde Muhlis A. wegen räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung und Betrugs zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt. „Das ist Ihre letzte Chance“, sagte die Richterin.

A. ist gerade 20 Jahre alt und blickt doch unter dem einst von den Behörden verordneten Decknamen „Mehmet“ auf eine lange kriminelle Karriere zurück. Als er 1998 den 14. Geburtstag feierte, standen bereits 60 Straftaten im Polizeiregister, und der in München geborene Sohn türkischer Eltern avancierte zum bekanntesten Jungkriminellen des Landes, der nach heftigen Diskussionen in die Türkei ausgewiesen wurde.

Seit August 2002 ist Muhlis A. zurück in München, weil das Bundesverwaltungsgericht seine Abschiebung für rechtswidrig erklärte. Er führte ein unauffälliges Leben, holte den Hauptschulabschluss nach und arbeitete als Fertigungshelfer in einer Computerfirma. Doch vor drei Monaten wurde er erneut angezeigt, diesmal von seinen Eltern.

Die Vorwürfe sind gravierend: Muhlis A., der Ende 2004 wieder bei seinen Eltern im Problemviertel Neuperlach-Süd eingezogen ist, soll den 67-jährigen Vater und die 10 Jahre jüngere Mutter regelmäßig mit Faustschlägen malträtiert haben, um Geld zu erpressen. Dabei ging er laut Anklage brutal vor und trat selbst dann noch auf seine Eltern ein, wenn sie hilflos am Boden lagen. Um sie einzuschüchtern, habe er ihnen gedroht: „Ich bringe euch um, ich werde euch abstechen.“ Außerdem soll er seiner Mutter Schmuck gestohlen und ihn im Leihhaus versetzt haben – für bescheidene Beträge zwischen 7 und 40 Euro.

Muhlis A. hörte sich die Verlesung der Anklageschrift regungslos an. Er wirkte eingeschüchtert und hatte nichts mehr vom Gehabe des Medienstars an sich, zu dem er in der Türkei zwischenzeitlich avanciert war. Vor der Beweisaufnahme stellte Verteidiger Alexander Eberth den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, dem das Gericht prompt nachkam. Die Entscheidung sorgte insbesondere beim Publikum, das fast ausschließlich aus Damen und Herren gesetzten Alters bestand, für helle Empörung. Offenkundig sah mancher sich um die Bestätigung der eigenen Vorurteile gebracht. Ein weißhaariger Mann wetterte lauthals: „Den soll der Beckstein doch gleich wieder rausschmeißen.“ Vielleicht tut ihm Bayerns Innenminister den Gefallen. Denn Günther Beckstein fand sich bereits lange vor Prozessbeginn in seiner harten Linie bestätigt: „Meine Entscheidung zur Abschiebung war doch richtig.“

JÖRG SCHALLENBERG