„Franzosen und Niederländer erzwingen eine Nachdenkpause“

EU-Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit fordert eine Überarbeitung der Verfassung und die Fortsetzung des Ratifizierungsverfahrens.taz: Herr Cohn-Bendit, nach den französischen Bürgern haben auch die Niederländer die EU-Verfassung abgelehnt. Manche fürchten, das sei das Aus. Sie auch?Daniel Cohn-Bendit: Nein. Franzosen und Niederländer haben mehrheitlich eine De-Facto-Nachdenkpause erzwungen. Der Europäische Rat – die Regierungen –, die Kommission und das Europäische Parlament müssen sich nun in öffentlichen Debatten der Herausforderung stellen. Business as usual? Nein. Das Projekt Europa ist mehr als gefährdet, umso mehr wenn wir abgehoben, taubstumm und borniert Business as usual mimen würden. Großbritannien will das Ratifizierungsverfahren beenden.Nein. Einerseits sollen und müssen die Staaten, die noch ratifizieren wollen, ihren selbstverständlichen demokratischen Anspruch auf europäische Mitbestimmung verwirklichen. Und andererseits?Müssen wir jetzt schon herauszufinden versuchen, welche Teile des Verfassungstextes wir einem gesamteuropäischen Referendum mit doppelter Mehrheit … … das heißt, es braucht eine Mehrheit der EU-Bürger plus Zustimmung in 18 von 25 Ländern …… zur Abstimmung vorschlagen werden.Sie fordern eine Überarbeitung?Man kann nicht einfach die, die abgelehnt haben, über denselben Text nochmal abstimmen lassen. Das ist demokratisch nicht nachvollziehbar. Die Widersprüche scheinen unauflösbar. Nur das gesamteuropäische Volk kann diese Widersprüche auflösen. Umso mehr als nationaler Egoismus und der Geiz einzelner Nettozahler-Regierungen die europäische Solidarität und Handlungsfähigkeit mehr als gefährden. INTERVIEW: PU

DANIEL COHN-BENDIT, 60, ist Fraktionsvorsitzender der europäischen Grünen im EU-Parlament.