Zwei Todesfälle in vier Tagen

Nach dem Nein der Niederländer zur EU-Verfassung sucht das offizielle Brüssel nach Lösungen aus der Krise. Ratifizierungsprozess soll weiterlaufen

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Zwei Beerdigungen in vier Tagen – die Anspannung war den Herren an den Gesichtern abzulesen. Während im Europaviertel Mittwochabend die EU-Beamten nach getaner Arbeit fröhlich ihr Feierabend-Bier genossen, trat das Trio ein paar Schritte weiter im Kommissionsgebäude mit Leichenbittermiene vor die Presse: Parlamentspräsident Borell, Kommissionspräsident Barroso und Ratspräsident Juncker.

Eine gewisse Logik lag durchaus darin, dass den Politikern im Saal das Ergebnis des niederländischen Referendums näher ging als den Menschen auf der Straße: Während das Alltagsgeschäft der Beamten unverändert weiterläuft, wird Politikmachen auf europäischer Ebene nun noch schwieriger.

Der Luxemburger Premierminister, dem Europa eine Herzensangelegenheit ist, sagte es mit großer Traurigkeit: „Europa bringt die Menschen nicht mehr zum Träumen.“ Die Ironie liege zum Teil darin, dass man die Chance für ein neues Europa verwerfe, da man das alte Europa nicht liebe. Der Ratifizierungsprozess müsse aber weitergehen. Auch in den anderen Ländern stehe den Parlamentariern oder den Bürgern in Volksabstimmungen das Recht zu, ihre Meinung zum Verfassungsprojekt zu sagen. Franzosen und Niederländer könnten schließlich nicht für den Rest Europas mit sprechen. Auch hätten sich die Regierungen einstimmig darauf festgelegt, im Herbst 2006 eine Entscheidung herbeizuführen, falls 20 Staaten der neuen Verfassung zugestimmt haben.

Martin Schulz, der Vorsitzende der Sozialisten im Europaparlament, forderte am Mittwochabend ebenfalls, dass der Ratifikationsprozess fortgeführt werden müsse. Die gedämpfte Stimmung in den Fluren und in der Bar des Parlamentsgebäudes erhielt einige schrille Tupfer, weil die in die Jahre gekommenen Flegel von der britischen Unabhängigkeitspartei wohl schon einige Gläser zu viel auf ihren Triumph getrunken hatten. Mehrfach unterbrachen sie Schulz' Stellungnahme mit Gekicher, wünschten ihm schließlich einen schönen Abend und verließen den Saal.

Wie Juncker streicht auch Schulz das Paradoxe an der jetzt entstandenen Lage heraus: Einiges vom dem, was die Bürger in Europa vermissen, etwa mehr demokratische Teilhabe, könnte durch die Reform erreicht werden. Doch gerade diese Reform wird abgelehnt. Auswege aus der Krise wollte Schulz zum jetzigen Zeitpunkt nicht diskutieren. Er räumte aber ein, dass ein Notfallplan seines Parteifreundes Giuliano Amato, Kernstücke der Verfassung herauszulösen und per Vertrag in Kraft zu setzen, erwogen werden könnte, wenn alle Länder abgestimmt haben. Amato ist als Mitglied des Konventspräsidiums einer der Väter der Verfassung.

Vom Gipfel der Staats- und Regierungschefs in der übernächsten Woche erhofft sich Ratspräsident Juncker ein starkes Signal, „das der Welt beweist, dass Europa funktioniert, dass Europa unterwegs ist, dass Europa zu Entscheidungen in der Lage ist“. Hoffentlich enttäuschen ihn seine Kollegen nicht. Der tschechische Staatspräsident Václav Klaus, ein erklärter Eurokritiker, hat schon nach dem französischen Referendum erklärt, die EU käme wunderbar auch ohne Verfassung aus. Und Großbritanniens Innenminister hat für Montag eine Erklärung angekündigt. Es wird damit gerechnet, dass er das in Großbritannien geplante Referendum absagen wird. Die britische Regierung würde sich damit aus einer peinlichen Lage befreien, auch dort sind die Verfassungsgegner in der Mehrheit.