Kadernominierung der DFB-Auswahl: Nagelsmanns medialer Umbruch

Der Bundestrainer beliefert vor allem den Boulevard regelmäßig mit Neuigkeiten über die DFB-Elf. Es ist ein Spiel mit Risiken.

Bundestrainer Julian Nagelsmann durch den Henkel des EM-Pokals fotografoert

Aufbruchstimmung: Julian Nagelsmann hinter dem EM-Pokal Foto: Christian Charisius/dpa

Nein, es war kein Paukenschlag. Dabei hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann am Donnerstag durchaus Bemerkenswertes zu berichten, als er den Kader für die anstehenden Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande vorgestellt hat. Sechs Neulinge hat er nominiert und mit Deniz Undav, Chris Führich, Maximilian Mittelstädt und Waldemar Anton vier Spieler vom aktuellen Ligadritten VfB Stuttgart. Er hat Toni Kroos, den Seriensieger in der Cham­pions League von Real Madrid, zurückgeholt und verzichtet ­weitgehend auf Spieler von Borussia Dortmund.

Er hat mit der Nominierung des Standard-Spezialisten Jan-Niklas Beste dafür gesorgt, dass der FC Heidenheim nun auch einen Nationalspieler stellt. Er hat Joshua Kimmich in die Abwehr zurückbeordert und Leon Goretzka, der eigentlich immer dabei war in den vergangenen Jahren, ausgeladen. Da bahnt sich ein großer Umbruch an. Und doch war die offi­ziel­le Kaderbekanntgabe am Donnerstag alles andere als ein Wow-Moment. Denn eigentlich war alles schon bekannt, was Nagelsmann da erläutert hat.

Der Bundestrainer spielt seit Wochen ein bemerkenswertes Spiel. Er streut Nachrichten und sorgt damit dafür, dass die DFB-Elf auch in den langen Pausen zwischen den Länderspielfenstern im Gespräch bleibt. Niemand wunderte sich am Donnerstag noch, dass mit Niklas Füllkrug nur ein Spieler von Borussia Dortmund gegen Frankreich und die Niederlande wird spielen dürfen. Über die Bild-Zeitung war das längst zum Thema von Fußballstammtischen der Republik geworden. Das vier Stuttgarter nominiert werden würden, ja, auch das war schon bekannt, bevor Nagelsmann am Donnerstag die Pressekonferenz eröffnet hatte.

Ende des Abwinkens

Schon seit Dezember weiß Fußballdeutschland vom Plan, Toni Kroos zu reaktivieren. Im „Aktellen Sportstudio“ des ZDF plauderte Nagelsmann das ebenso aus wie seinen Plan, Joshua Kimmich wieder in die Abwehr zu beordern. Beim Pay-TV-Sender Sky wusste man schon, das Jan-Niklas Beste nominiert wird, bevor Nagelsmann diesen selbst angerufen hat.

Und wer wissen möchte, wie sich der Kader weiterentwickeln wird, brauchte am Tag nach der offiziellen Nominierung wieder mal nur einen Blick in die, na klar, Bild-Zeitung zu werfen. Da stand, dass Nagelsmann mit Angelo Stiller gesprochen hat und diesen am liebsten zum nächsten Stuttgarter Nationalspieler machen möchte. Wenn es wirklich so kommen sollte, niemand würde sich darüber wundern.

Dem Bundestrainer ist mit seiner Informa­tions­politik, zu der auch ein persönliches Interview im Nachrichtenmagazin Der Spiegel gehörte, ein kleines Kunststück gelungen. Es wird nicht mehr abgewunken, wenn von der Na­tio­nal­mannschaft die Rede ist. Über das Desaster von Katar, für das noch Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick verantwortlich war, wird schon lange nicht mehr gesprochen.

Aber nicht einmal über die merkwürdig amorphen Auftritte unter Nagelsmanns Ägide im November gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) mag sich noch jemand auslassen. Auch wenn sich der Niedergang des deutschen Nationalmannschaftsfußball von den Ergebnissen her auch unter Nagelsmann fortgesetzt hat, ist beinahe schon etwas von der Aufbruchstimmung zu spüren, die der Bundestrainer zur Heim-EM hin so gern auslösen möchte.

So lange der EM-Ball noch nicht rollt, mag Nagelsmann das Spiel mit den Medien, auch das mit der Bild-Zeitung, im Griff haben. Sollte sich die DFB-Elf bei der EM wieder blamieren, darf er nicht auf Gnade vom Boulevard, dem er sich gerade andient, hoffen.

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