SPD-Senat im Netz verheddert

ENERGIEVERTRÄGE Opposition verhindert vorerst den Einstieg Hamburgs in die Versorgungsnetze. Selbst die SPD-Fraktion fordert vom eigenen Senat Nachbesserungen. Einhellige Kritik bei Expertenanhörung

In Hamburg gibt es drei Energieversorgungsnetze:

■ Fernwärmenetz: Es ist 1.200 Kilometer lang, 800 Kilometer davon sind im Besitz von Vattenfall. Der Konzern beliefert rund 500.000 Kunden.

■ Stromnetz: 27.000 Kilometer gehören Vattenfall, angeschlossen sind 1,1 Millionen Kunden.

■ Gasnetz: Rund 7.000 Kilometer sind im Besitz von Eon Hanse. Die Zahl der Anschlüsse ist unbekannt.

Hamburg kann sich nicht an den Versorgungsnetzen für Strom, Gas und Fernwärme beteiligen – vorerst. Die Opposition aus CDU, GAL, FDP und Linken verhinderte am Mittwochabend in der Bürgerschaft geschlossen mit einem Minderheitenquorum die Verabschiedung der vom Senat geschlossenen Verträge. Allerdings kann dies in der nächsten Sitzung der Bürgerschaft am 9. Mai nachgeholt werden.

Die Verträge zwischen der Stadt und den Energiekonzernen Vattenfall und Eon sehen vor, dass Hamburg jeweils 25,1 Prozent an drei Netzgesellschaften übernimmt, die künftig die Versorgungsleitungen für Strom, Gas und Fernwärme betreiben. Dafür will Hamburg 543,5 Millionen Euro zahlen.

Im Gegenzug verpflichten sich Vattenfall und Eon zu Investitionen von 1,6 Milliarden Euro „in moderne Energieerzeugung“, darunter ein „Innovationskraftwerk“, das die Fernwärmeproduktion des Kohlekraftwerks Moorburg ersetzen soll. „Damit packen wir die Energiewende an“, verkündete Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im November.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel widersprach Vorwürfen der Opposition, der Kaufpreis sei zu hoch und der städtische Einfluss auf die Netzgesellschaften zu gering. Auch stimme es nicht, dass Vattenfall das Innovationskraftwerk wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht errichten werde. „Die Stadt hat gut verhandelt“, behauptete Dressel.

Davon allerdings ist selbst seine Fraktion nicht überzeugt. In einem kurzfristig vorgelegten Zusatzantrag fordert diese vom eigenen Senat eine „konkrete und zügige“ Umsetzung der Vereinbarungen. Dazu müssten „nachvollziehbare Kriterien“ und „transparente Bestimmungen“ gewährleistet werden.

Zudem solle ein Beirat eingerichtet werden, in dem auch Wissenschaftler und Umweltverbände den Senat unterstützen sollen. Diese kaum bemäntelte Kritik an der eigenen Regierung sei aber, versicherte Dressel treuherzig, „kein Misstrauen, sondern eine Bekräftigung“.

Die Opposition sieht darin jedoch eine „Mängelliste“, wie GAL-Fraktionschef Jens Kerstan sagte. Diese sei zurückzuführen auf die einhellige Kritik von Fachleuten an den Verträgen in einer Expertenanhörung des Umweltausschusses. SPD-interne Forderungen zu Nachbesserungen sind nach taz-Informationen am Unwillen Vattenfalls gescheitert. Deshalb der „aufmunternde Ergänzungsantrag“, wie es eine SPD-Abgeordnete ausdrückte.

Dieser wurde mit der SPD-Mehrheit angenommen. Die Entscheidung über die Netzverträge aber hängt drei Wochen in der Warteschleife.  SVEN-MICHAEL VEIT