Aussage gegen Aussage

JUGENDHILFE Ob Gespräche über das missbrauchte Mädchen stattgefunden haben, ist unklar

Was hat die Wandsbeker Jugendhilfe wann über einen möglichen sexuellen Missbrauch der damals siebenjährigen Anna* gewusst? Auf diese Frage spitzt sich der Streit um mögliche Unterlassungssünden des der Jugendhilfe unterstehenden Amtes für Soziale Dienste (ASD) nun zu.

So beteuert Amtssprecherin Anne Bauer, im Frühjahr 2010 sei dem Amt nur zugetragen worden, dass „die Mutter sich nicht ausreichend um die Bedürfnisse ihrer Tochter gekümmert“ habe. Von sexuellem Missbrauch oder einer kindeswohlgefährdenden Vernachlässigung sei nie die Rede gewesen. Das Amt hatte im April und Mai 2010 die Mutter zweimal „zu einem Gespräch“ gebeten, als diese nicht erschien, die Akte aber geschlossen.

Eine Parallele zum Fall Jessica, die 2005 im ebenfalls im Bezirk Wandsbek gelegenen Jenfeld verhungert war. Auch hier hatte es eine „Gesprächseinladung“ gegeben, auch hier hatte die Mutter nicht reagiert und die Behörden ihre Aktivitäten eingestellt.

Im Fall Anna steht nun Aussage gegen Aussage. Die Großmutter des Mädchens und ihre Freundin Barbara J. bekunden in einer eidesstattlichen Erklärung, die der taz vorliegt, die ASD-Mitarbeiterin R. detailliert darüber informiert zu haben, dass Anna und ihre Halbschwester „nicht ausreichend mit Essen versorgt“ würden, die Siebenjährige oft über Stunden „allein in der Wohnung“ sei und die Mutter „freizügigen Sex vor Anna“ ausübe. Sie sei oft „völlig verängstigt“ gewesen und habe besonders starke Angst vor P., dem aktuellen Freund der Mutter, gehabt.J. sagt über das Gespräch mit der ASD-Mitarbeiterin: „Ich habe deutlich gesagt, dass ich den Eindruck habe, dass der P. sich sexuell an dem Kind vergangen hat.“ Doch ein Gespräch dieser Art, so verlautet es aus dem Amt, habe „niemals stattgefunden“.  MAC

*Name geändert