schmickler macht ernst
: Wechselfieber

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Na, haben Sie heute morgen schon irgendwas gewechselt? Ja wie, was? Völlig egal was! Die Reifen, die Unterwäsche oder wegen mir auch den Partner – Hauptsache Wechsel! Seit dem grandiosen Wahlsieg von Jürgens Rüttgers Flaschen Club ist in Deutschland plötzlich das große Wechselfieber ausgebrochen.

Das ging ja schon am Morgen nach der Wahl los. Da wollte ich fünf Euro wechseln für die Parkuhr. Normalerweise laufen Sie da durch mindestens zehn Geschäfte und werden behandelt wie einer, der einen Sponsor für den 1.FC Köln sucht, aber kaum frage ich am ersten Kiosk vorsichtig: „Entschuldigung, aber könnten sie eventuell 5 Euro...“ Da fällt mir der Kioskbetreiber um den Hals: „Wechseln? Aber natürlich, wie soll‘s denn sein? Und darf ich Ihnen auch Feuer geben?“

Also da hab ich wirklich nicht mit gerechnet. Dass so ein popeliges Wahlergebnis eine solche Euphorie auslöst. Das muss der Neid dem siegreichen Pulheimer lassen: Jetzt kommt scheinbar wirklich Schwung in den Laden. Ganz Deutschland will wechseln. Erst kam NRW quasi über Nacht in die Wechseljahre und schon kurze Zeit später breitete sich diese Wechselstimmung in der ganzen Republik aus.

Und deshalb will der Kanzler sich am 1. Juli von seinen Vertrauten das Vertrauen entziehen lassen, um sich dann mit all seinen Anvertrauten zu trauen, das versaute Vertrauen zu einem erneuten Vertrauensbeweis umzubauen, um auf diesem Vertrauen neu auf zu bauen und dann erst mal weiter zu schauen – kurzum: am 18.September wird neu gewählt.

Und wenn dann die Wechselstimmung dazu führt, dass ein Wählerwechsel der Wechselwähler den ganz großen Wechsel herbeiführt, dann, ja dann wechselt mal schön. Nur damit das eine klar ist: Wechselgeld gibt es für niemanden. Egal wie‘s ausgeht.