Gysi-Kandidatur
: Aus der Not wiedergeboren

Woody Allen erzählt in seinem Film „Der Stadtneurotiker“ einen Witz, der ganz gut zum Verhältnis zwischen der Berliner PDS und Gregor Gysi passt. Der Witz geht so: Ein Mann geht zum Psychiater und sagt: „Doktor, mein Bruder ist verrückt. Er denkt, er wäre ein Huhn.“ Der Doktor fragt: „ Und warum bringen Sie ihn nicht ins Irrenhaus?“ Der Mann antwortet: „Würd’ ich schon, aber ich brauche ja die Eier.“

KOMMENTARVON MATTHIAS LOHRE

Das Huhn ist das Medientalent Gregor Gysi, die Eier sind seine Popularität. Und die braucht die PDS – im Land wie im Bund. Zwar wissen die Berliner Genossen noch sehr genau, wie ihr Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen im Jahr 2002 nach nur sechs Monaten im Amt die Brocken hinwarf. Nun bieten sie ihm dennoch eine aussichtsreiche Kandidatur an. Warum?

Weil die PDS ohne ihren einzigen Star endgültig zu einer ostdeutschen Regionalpartei zu verkümmern droht. Die einsamen Bundestagsabgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch haben in den vergangenen drei Jahren im Reichstagsgebäude kaum die rote Fahne hochhalten können. Gregor Gysi, der Bundespolitiker, ist aus höchster Not der PDS wiedergeboren. Er ist ihre letzte Chance.

Aus diesem Grund ertragen die Genossen auch zähneknirschend seine Starallüren, etwa das wochenlange Kokettieren mit seiner angeschlagenen Gesundheit. Dabei wusste jeder: Das alte Zirkuspferd will noch einmal in die Manege. Nur wollte Gysi zuvor den Applaus für den Auftritt Angela Merkels verebben lassen. Und er wollte gebeten werden. Damit kein PDSler eine Wahlniederlage einem geltungssüchtigen Medientalent Gysi in die Schuhe schieben kann.

Die Frage ist nur: Legt das eingebildete Huhn heute noch Eier? Trägt Gysis rhetorisches Können die PDS heute noch über die Fünfprozenthürde? Wohl kaum. Ein robustes Linksbündnis wäre vonnöten. Doch mit der bunten Truppe der „Wahlalternative“ (WASG) aus dem Westen wird daraus nichts. Das weiß auch die PDS. Und wartet gebannt auf das nächste Ei.

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