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Integration im FußballstadionGemeinsam auf der richtigen Seite

Im Stadion kann ich mich endlich als vollwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft fühlen. Von den Nazis neben mir lasse ich mir das nicht versauen.

Integration und Ausgrenzung dicht nebeneinander: Fans im Fußballstadion, hier im Philips Stadion in Eindhoven Foto: dpa | Thomas Eisenhuth

F ußball, das ist dieses lustige Spiel, bei dem 22 erwachsene Menschen wie Kinder hinter einem einzigen Ball herlaufen, so pflegte sich seinerzeit meine Oma spöttisch auszudrücken. Aber meine Oma hatte auch nie so eine leckere Stadionwurst gegessen wie ich. Oder auch zwei, oder auch drei.

Deshalb mache mich auf den Weg. Während ich im Stadion einen Stehplatz suche, werde ich von den Fans fast erdrückt. Wegen der zwei Meter großen Gorillas direkt vor mir bekomme ich vom Spiel überhaupt nichts mit. Aber das ist zweitrangig, dabei sein ist alles. Man gönnt sich ja sonst nichts!

Plötzlich: ein Erdbeben, das das Stadion erzittern lässt. Ein Tor! Alle Menschen um mich herum umarmen und küssen sich. Ob alt oder jung, ob Mann oder Frau, ja, selbst ob Deutscher oder Ausländer!

Nach all den Jahren der Einsamkeit umarmt mich wieder jemand! Es ist sogar ein Deutscher. Mit blonden Haaren, blauen Augen, Bierbauch und einer Stadionwurst in der Hand. Oh, wie gut das tut! Oh, Allah, ich danke dir, dass du mir einen Deutschen geschickt hast, um mich zu umarmen!

Im Überschwang der Gefühle umklammere ich beim nächsten Tor den Dicken, der mich vorhin herzhaft umarmt hatte, und brülle ihm ins Ohr: „Toooorrrrrr! Toooorrrrrrr!“

Voller Freude küsse ich den Glatzkopf neben mir

„Lass mich los, du Blödmann! Siehst du nicht, was unsere Abwehr für ’nen Mist spielt?“, schreit er mich an.

Ich verschweige ihm, dass mich das Spiel eigentlich nicht mehr interessiert. Ich bin überglücklich, dass ich nach all den Jahren endlich ein vollwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft geworden bin.

Bei uns im Dorf haben die Menschen gebetet, damit es regnet. Hier bete ich, damit ein Tor fällt. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Freien bete, jedenfalls erhört mich Allah sofort. Das nächste Tor ist gefallen, auch noch auf der richtigen Seite. Voller Freude küsse ich den Glatzkopf neben mir und brülle voller Inbrunst: „Tooooorrrrr, Tooooorrrrr! So ein Tag, so wunderschöön wie heuuuteeeee!“

Danach denke ich mir: Ich habe doch immer gesagt, dass man sich als Ausländer nicht abkapseln soll. Währenddessen klatschen die deutschen Jugendlichen um mich herum rhythmisch in die Hände, stampfen mit den Stiefeln und brüllen: „Aus-Länder Raaaauusss!“

Oh, was ist denn jetzt los?! Also nicht, dass man jetzt meinen sollte, diese Jugendlichen seien Ausländerfeinde. Das geht doch gar nicht. Schließlich haben sie mich gerade noch herzlich umarmt und leidenschaftlich geküsst.

„Aus-Länder Raaaauuuuuuuss!“, schallt es wieder durchs Stadion.

Ööööhm, aber das sind doch gute Menschen. Das sehe ich sofort. Alles Sportler, die haben keine Vorurteile. Nein, das sind keine Ausländerfeinde!

„Aus-Länder Raaaaauuuss!“ Ähmm, vielleicht sind die sauer, weil ein ausländischer Spieler das Tor geschossen hat?

Naja, okay, ein bisschen Nazis sind sie vielleicht auch. Aber ich werde nie vergessen, wie diese Menschen mich gerade noch derart herzlich umarmt und geküsst haben. Wie sagt man so schön: Die richtige Integration funktioniert nur durch gegenseitige Annäherung. Ich klatsche deshalb mit meinen neuen Kumpels mit und brülle zusammen mit denen im Chor: „Aus-Länder Raaaaaauusss! Aus-Länder Raaaaaauusss!“

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