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orte des wissensDie Frage, was wir an Natur zulassen

Das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover erforscht Art und Ausmaß menschlicher Eingriffe und eingewanderter Arten auf die Natur

Es ist, als solle hier der Forschergeist von einst beschworen werden: Wer die Startseite des Internetauftritts des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover aufruft, stößt auf einen schönen alten Landrover Defender. Das ist kein Pseudo-Expeditionsgefährt legendenbewusster PR-Leute, das ist ein Dienstwagen, ein Arbeitsgerät, das sichtlich schon einiges mitgemacht hat. „Für Feld und Wald hat der sich bestens bewährt“, sagt Professorin Ursula Siebert der taz, die Leiterin des Instituts. „Bei längeren Autobahnfahrten tut man sich mit ihm allerdings keinen Gefallen.“

Der Standort Hannover des ITAW bündelt das Terrestrische, vom Wisent bis zum Wolf, der Standort Büsum das Aquatische, vom Schweinswal bis zum Seehund. Nicht nur Veterinärmediziner arbeiten hier, auch Biologen, Physiker, Landschaftsplaner, Agrar- und Forstwissenschaftler, außerdem Bioinformatiker, für rechnergestützte Modellierungen. „Der größte Teil sind Naturwissenschaftler“, erklärt Siebert den interdisziplinären Ansatz.

Grundlagen- und Anwendungsforschung finden hier statt. Es geht um Bestandserhebung und Habitatnutzung, um Verhaltensmuster, um Wildtierkrankheiten und ihre Gefahr für den Menschen. Man erforscht die Gesundheit von Populationen, das Wildtiermanagement sowie schädigende Auswirkungen des Menschen vom Lärm bis zur Chemie, vom Fischfang bis zur Land- und Forstwirtschaft, vom Tourismus bis zur Schifffahrt, von der Jagd bis zum Straßenbau, von Offshore-Windkraftanlagen bis zum Militär.

Seit 2011 existiert das Institut, und es sind „schwere Aufgaben“, die sich ihm stellen, sagt Siebert. „Am liebsten würden wir uns nur mit der Biologie beschäftigen, mit den Beständen und ihrer Entwicklung, aber unsere Fragestellungen sind ausnahmslos von dem Einfluss berührt, den der Mensch auf Wildtierpopulationen ausübt. Und diese Eingriffe sind so tief, da kommen wir nicht mehr raus. Viele Lebensräume werden ständig kleiner.“

Die Bandbreite der Auftraggeber reicht vom Landes- bis zum Bundesministerium, von der Industrie bis zur EU. Das Institut, hauptsächlich durch Drittmittel finanziert, sei „grundsätzlich neutral“, betont Siebert. „Wir generieren Wissen, legen Fakten auf den Tisch. Was mit den Ergebnissen passiert, können wir nicht beeinflussen.“ Klar sei: „Wir arbeiten mit niemandem zusammen, der uns vorgeben will, welche Ergebnisse er von uns haben will.“

Das Institut ist international tätig, international vernetzt. Das reicht bis zur Koordinierung von Projekten wie Scans-IV, der sechswöchigen Erfassung der Verbreitung und Populationsgröße von Walen im Sommer 2022, per Flugzeug und Schiff, von Südnorwegen bis zur Straße von Gibraltar.

Wer zu Tieren forscht, braucht solche Internationalität, denn Tiere machen an Landesgrenzen nicht Halt. Das kann negativ sein: Neozoen können die heimische Biodiversität bedrohen. Das kann aber auch positiv sein: Die erfolgreiche Wiedereinwanderung des Wolfs stellt es unter Beweis.

Das Institut erforscht die Gesundheit von Populationen sowie schädigende Auswirkungen des Menschen

Ein komplexes Arbeitsfeld. „Im Grunde beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir uns als Gesellschaft zur Natur verhalten, was an Natur wir zulassen“, sagt Siebert. Viele Anspruchs- und Erwartungshaltungen sind da im Spiel, viele Schutz- und Nutzungsinteressen. Viel Investorengeld ist im Spiel, viel Politik. Oft heizt Polemisierung die Diskussion auf.

Schwer, da die wissenschaftliche Neutralität zu wahren. Und so wichtig sie ist, als Grundsatz: Sollte nicht, wer in seiner Forschungsarbeit jeden Tag sieht, wie gefährlich der Mensch für andere Lebewesen ist, in ihrem Namen die Stimme erheben dürfen? Wollen? Müssen? Harff-Peter Schönherr

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