Angst vor Wahrheit

Chinas KP versucht, peinliche Informationen über das Tiananmen-Massaker von 1989 zu unterdrücken

BERLIN taz ■ Zum heutigen 16. Jahrestag des Massakers auf dem Pekinger Tiananmen-Platz zeigt Chinas KP-Führung erneut, dass sie mit aller Macht eine Neubewertung des offiziell als „Niederschlagung eines konterrevolutionären Aufstandes“ bezeichneten Massakers verhindern will. Jetzt geht es um heimliche Gespräche mit Ex-Parteichef Zhao Ziyang. Er war im Mai 1989 in Ungnade gefallen, als er den Demokratie-Forderungen der Studenten nachgeben wollte. Seitdem stand er bis zu seinem Tod im Januar 2005 unter Hausarrest. Zong Fengming war sein Qigong-Meister einer der wenigen, die ihn regelmäßig besuchen durften. Der heute 85-Jährige schrieb die Gespräche auf und erstellte daraus ein Manuskript. Dessen Publikation will die KP jetzt verhindern.

Zong sagte der Agentur AFP, Zhao habe sich zu Demokratie und Rechsstaatlichkeit bekannt. „Er glaubte, Chinas Wirtschaftsreformen brauchen Demokratie, weil sie sonst nicht funktionieren.“ Laut Zong sagte Zhao, 1989 habe es viele Möglichkeiten gegeben, das Massaker mit womöglich tausenden Toten zu verhindern. Zhaos Äußerungen untergrüben die Legitimität der Regierung, so Zong; deshalb habe er Vorkehrungen getroffen, um eine Beschlagnahme des Manuskripts zu verhindern. Er selbst fürchte keine Repression mehr. In Verbindung mit dem Manuskript könnte die Festnahme des Reporters der singapurischen Straits Times, Ching Cheong, stehen. Er wurde im April verhaftet, als er von einem Informanten eine Kopie des Manuskripts erhalten wollte. Chinas Regierung wirft Ching Spionage vor. Zong sagte AFP, er kenne Ching nicht. Chings Frau sagte in Hongkong, der Reporter habe auch mit Lu Juanhua von der Akademie der Wissenschaften, Chinas wichtigstem Beratungsinstitut, zusammengearbeitet. Der Soziologe wurde im April wegen Geheimnisverrats verhaftet.

Die Fälle zeigen, dass die KP weiter hart gegen jene vorgeht, die sie als gefährlich für ihr Informationsmonopol empfindet. Erst kürzlich wurde in Hunan ein Journalist zu zehn Jahren Haft verurteilt, der Anweisungen der KP-Propagandaabteilung an Journalisten veröffentlicht hatte.

Erneut fordern dieser Tage die „Mütter von Tiananmen“, eine Angehörigenvereinigung von Opfern, die Verantwortlichen des Massakers zu bestrafen. In Anspielung auf Chinas jüngste antijapanische Proteste warfen sie der Regierung vor, die Wahrheit über das Tiananmen-Massaker noch stärker zu verleugnen als Japans Rechte das von Nanking. SVEN HANSEN