„Der Speck des Staates muss weg“

Die Länderfinanzminister beklagen die „desaströse“ Haushaltslage. Daran seien sie selber schuld, sagt Finanzwissenschaftler Helmut Seitz: Konsolidierung sei überfällig

taz: Laut einer Studie der Bundesregierung sollen 11 von 16 Länderhaushalten verfassungswidrig sein. Ist das realistisch?

Helmut Seitz: Die Länderverfassungen sind zwar recht unterschiedlich, deshalb ist eine exakte Prognose schwierig. Ökonomisch gilt aber: Wenn ich mir die Nettokreditaufnahme im Vergleich zu den investiven Ausgaben ansehe, dann trifft diese Zahl weitgehend die Realität.

Nach der aktuellen Steuerschätzung nehmen die Länder in diesem Jahr 3,7 Milliarden Euro weniger ein als geplant. Was gilt es zu tun?

Eine Konsolidierung ist seit Jahren überfällig, Wir bezahlen den Preis dafür, dass wir das über Dekaden auf die lange Bank geschoben haben. Klar ist: Helfen kann nur mehr Wachstum.

Wird das durch zusätzliches Sparen denn nicht abgewürgt?

Ich glaube, dass nachhaltige Haushaltskonsolidierung ein Beitrag zu mehr Wachstum ist. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik ist gewichtiger als das Kaufkraftargument. Finanzpolitik ist nicht für Stop and go geeignet. Das hat noch nie funktioniert.

Wo sollte der Staat kürzen?

Er darf natürlich nicht überproportional in die Investitionen hineinsparen, schon gar nicht in Bildung. Aber der Staat muss den Speck abschneiden, den er angesammelt hat. Provokant gefragt: Wie viel Kulturfinanzierung brauchen wir überhaupt? Ich rede da nicht über Jugendkultureinrichtungen. Es ist aber nicht einzusehen, dass der Steuerzahler das Ausgehen der Schickimicki-Szene subventioniert.

Nur macht ein Kulturetat keinen ganzen Haushalt aus.

Sicher. Das Wichtigste ist, die Personalbestände in der Verwaltung und im öffentlichen Dienst zu reduzieren. Das ist der größte Ausgabenposten. Alles andere ist im Vergleich dazu Peanuts.

Wird eine neue Bundesregierung die Länder zur Konsolidierung zwingen?

Ich glaube nicht. Eine CDU-Bundesregierung wird ihren CDU-Ministerpräsidenten entgegenkommen. Man bräuchte ein breites Parteienbündnis, um die Aufgaben von Bund und Ländern effizienter zu verteilen.

Das Saarland und Bremen wollen mehr Unterstützung vom Bund einklagen. Muss der Bund den Ländern mehr Geld geben?

Das löst doch das Problem nicht. Der Bund hat schon seit Jahren massiv zugunsten der Länder umverteilt. Und was passiert? Wenn man ein Loch stopft, reißt man ein anderes auf.

Wie könnte den Ländern dann geholfen werden?

Die Länder sollten mehr Autonomie auf der Einnahmenseite bekommen. Denkbar wäre, dass sie eigene Zuschläge auf die Einkommensteuer erheben dürfen. Momentan haben wir eine Entkopplung der Verantwortung auf der Einnahmen- und Ausgabenseite. Das schafft eine unglaubliche Intransparenz. Der Bürger weiß überhaupt nicht, wer für die schlechte Performance in seinem Land verantwortlich ist. Schon die Datenlage ist unklar, weil so viel Geheimniskrämerei betrieben wird. Das ist auf Dauer unakzeptabel. INTERVIEW: KLAUS JANSEN