brief des tages
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Unreflektierte Überschrift

„Nach 128 Tagen: Zwei Geiseln ­freigekämpft“, taz vom 13. 02. 24

„Zwei Geiseln freigekämpft“ – jede unbefangene Person, die das liest, denkt sofort an eine Heldentat. Dass dafür 60 bis 100 Personen – Männer, Frauen, Kinder, vielleicht sogar drei israelische Geiseln – in Rafah ihr Leben lassen müssen, nicht zu reden von der Anzahl verwundeter Menschen, erschließt sich zunächst so nicht.

Dass Netanjahu vor einem Szenario graut, in dem die Waffen schweigen und er endlich drängende Fragen beantworten muss, wenn er denn dann nicht gleich in die Wüste geschickt wird, ist nur zu klar, wie durchsichtig daher dieser Schlag zur Geiselbefreiung, der Erfolge zeitigen musste, koste es, was es wolle.

Von Kriegsschiffen und Flugzeugen bewusst in nahegelegenes bewohntes Gebiet abgefeuerte Raketen, die ihre „Schutzwirkung“ für die Geiseln befreienden Kampf­soldaten – zynischer geht es nicht – nicht verfehlten, mit dem Wort „Kampf“ zu bezeichnen, muss mindestens als falsche Wortwahl benannt werden. Solche unreflektierten Überschriften möchte ich in der taz nicht lesen, das können andere Zeitungen auch.

Jochen Schopmeyer, Köln