Einwanderung reif fürs Museum

MigrantInnen sind heute aus der deutschen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Die Forderung nach einem Migrationsmuseum ist aber weiter umstritten, wie eine taz-Veranstaltung in Bonn zeigte

AUS BONN SUSANNE GANNOTT

Ein Migrationsmuseum in Nordrhein-Westfalen? Die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung liegt eigentlich auf der Hand. In Deutschland leben rund sieben Millionen MigrantInnen, ein Großteil davon in NRW. Das halbe Ruhrgebiet hört auf polnisch klingende Nachnamen, die Werbung mit dem multikulturellen Flair gehört in Städten wie Köln längst zum guten Ton. Auch Konservative leugnen heute nicht mehr ernsthaft, dass dieses Land ein Einwanderungsland ist.

Und so stellte der Historiker Jan Motte bei taz-nrw-Veranstaltung am Freitag Abend im Bonner Haus der Geschichte nicht von ungefähr die Behauptung in den Raum, dass die Zeit für ein solches Migrationsmuseum reif sei. „Nach Jahren der Diskussion ist jetzt ein Kristallisationspunkt erreicht, an dem wir nur noch springen müssen“, befand das Mitglied des Vereins Migrationsmuseum e.V. und von DOMiT (siehe Kasten).

Aber ganz so einfach ist es ja nie, wenn es in Deutschland um Migration geht. Diesmal kamen die Einwände allerdings von recht unvermuteter Seite: Ausgerechnet Hans-Joachim Westholt, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Haus der Geschichte, entpuppte sich in der Diskussion als engagierter Advocatus diaboli. Zwar argumentierte er nicht direkt gegen ein solches Museum, betonte aber wiederholt, ihm fehle die klare Definition von dessen Ziel und Inhalt. „Und warum überhaupt ein Museum?“, fragte Westholt. Man könne das Thema doch auf lokaler Ebene in den zahlreichen Stadtmuseen bearbeiten.

Auch der migrationspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Kufen, sah noch Diskussionsbedarf bei der Frage, ob man ein solches Museum benötigt. „Darüber brauchen wir mehr Streit.“ Seine Partei plädiere aber auf jeden Fall für ein „Dokumentationsforum“ der Geschichte der Migration, um gerade den jungen Migranten endlich eine eigene Identität zu geben. Denn wenn man „Integration endlich Ernst nimmt“, bräuchten beide Seiten – Deutsche und Migranten – ein starkes kollektives Selbstverständnis, um einen „unverklemmten Umgang miteinander pflegen zu können“.

Aber muss das Museum gleich als Instrument der Identitätsstiftung für Migranten gedacht werden, als „volkspädagogische Einrichtung“, wie es ein Zuschauer formulierte, die den Deutschen beibringt, dass Migration nichts Schlimmes ist? Nein, sagte Motte, ein so hohes Ziel habe er nicht. „Ich habe keine Message, ich will nicht sagen, dass Migranten die besseren Menschen sind.“ Er wolle die Geschichte der Migration erzählen, die als „quasi ethnologische Reise in eine andere Zeit“ an sich interessant sei – etwa wenn man das Wohnzimmer einer türkischen Familie aus Essen ausstelle.

Auch für die Journalistin Semiran Kaya war die Frage, was ein solches Migrationsmuseum zu leisten habe, schnell beantwortet: Es solle die deutsche „Erinnerungslücke“ zu diesem Thema füllen. Vielmehr als die Gestaltung des Inhalt interessierte Kaya jedoch eine ganz andere Frage: „In Paris wird 2007 ein Migrationsmuseum eröffnet. Warum schaffen wir das nicht?“ Taz-Redakteurin Edith Kresta, die die Runde moderierte, gab die Frage weiter: Was ist mit der politischen Umsetzung? Motte forderte die neue Landesregierung auf, eine Projektgruppe einzuberufen, die das Konzept für das Museum weiter entwickelt. „Und sie soll symbolisch einen Grundstein legen als Gastgeschenk der Regierung.“

Dem konnte sich am Ende auch der Parteigänger der künftigen NRW-Regierung nicht mehr entziehen: Er habe ja gar nichts gegen ein Museum, stellte Kufen klar: „Jetzt geht es darum, die Politik in die Verantwortung zu nehmen und da will ich gerne mittun.“ Wohl weil er sich denken kann, dass er dafür in der CDU noch einige Überzeugungsarbeit leisten muss, wünschte Kufen sich allerdings „mehr Promotoren, mehr Mit-Tuer“. Die kann er haben – die taz ist dabei.