Diskriminierung im Para-Sport: Die ist nicht genug behindert

Die zehnfache Weltmeisterin Tully Kearney beklagt sich über den Verband. Es geht um demütigende Überprüfungen und eine falsche Einstufung.

Die Paraschwimmerin Tully Kearney

Muss mehr als nur den Wasserwiderstand überwinden: Tully Kearney bei den Paralympics 2021 in Tokio Foto: Imago/Shutterstock

Die britische Schwimmerin Tully Kear­ney gewann bei den Paralympics 2021 in Tokio Gold, bei Weltmeisterschaften siegte die 26-Jährige schon 10-mal, und auch etliche Weltrekorde gehören zum Portfolio der Kraulsprinterin.

Was für die einen Grund ist, ihr mit Respekt entgegenzutreten, verführt den Verband World Para Swimming eher dazu, sich diese Person mal genauer anzuschauen. Bei einer Untersuchung, bei der herauskam, dass man Kearney künftig von der Klassifizierung S5 in S6 verschieben müsse, soll ein Offizieller versucht haben, „mich aus meinem Rollstuhl in eine halb stehende Position zu ziehen und mich dann mit dem Gesicht gegen die Wand zu halten, um zu verhindern, dass ich falle, und zu behaupten, dass dies ‚Gehen‘ sei …“ Kearneys Urteil ist eindeutig: „Das war nicht nur eindeutig unsensibel, erniedrigend und offen gesagt demütigend für mich als Athletin und als behinderte Person, sondern zeigt einmal mehr ein grundlegendes Missverständnis meiner Behinderung.“

Kearney führt einen doppelten Kampf: Zum einen will sie nicht in S6 eingestuft werden, weil das bedeute, dass sie „gegen Athletinnen antreten muss, die im Vergleich zu mir einen viel geringeren Grad an Beeinträchtigung haben“. Die Klassifizierer des Weltverbands hätten keine Ahnung von ihren zwei neurologischen Erkrankungen.

Zum anderen macht sie auf die erniedrigenden Tests für Parasportler und -sportlerinnen aufmerksam. Im März 2023 haben sie „etwa sechs Stunden ohne jegliche Kommunikation“ darauf warten müssen, ehe sie erfuhr, dass nichts entschieden würde und sie noch mal getestet werde – ohne dass man ihr einen Grund genannt habe. „Das ist einfach so unsensibel und verletzt mich persönlich.“

Tully Kearney, 10-facher Schwimmweltmeisterin

„Das ist einfach so unsensibel und verletzt mich persönlich.“

Was Kearney beklagt, ist nicht unbekannt. Der Parasport, der doch angeblich für möglichst große Teilhabe von Menschen mit Behinderung sorgen will, schafft mit seinen Tests und seinem Generalverdacht, es würden sich Leute bloß als behindert ausgeben, um Medaillen zu erhaschen, für eine ganz neue Form der Diskriminierung. Tully Kearney ist nicht die erste, aber die aktuell prominenteste Sportlerin, die das anprangert. Die British Elite Athletes Association unterstützt Kearney: Zwar sei klar, dass die Klassifizierungsverfahren kompliziert seien, aber an erster Stelle müsse das Wohlergehen der Sportler stehen. Dass es hieran mangelt, hat nicht nur Tully Kearney überzeugend gezeigt.

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