„Wir machen weiter“

Die Zeichen stehen auf Wiederaufbau – was fehlt, ist allerdings noch ein offizielles positives Signal: Ein Gespräch mit Herwig Kempf, dem Leiter des vor vier Wochen verwüsteten Goethe-Instituts in Togo

INTERVIEW HAKEEM JIMO

taz: Herr Kempf, das Goethe-Institut in Lomé, dessen Leiter Sie sind, wurde vor einigen Wochen bei einem Brandanschlag zu großen Teilen zerstört. Wie soll es nun weitergehen?

Herwig Kempf: Wir wollen weitermachen, unbedingt. Wir warten jetzt nur auf ein positives Signal von offizieller Seite. Es muss ganz klar gesagt werden: „Ja, wir helfen euch, dieses Kulturinstitut wiederaufzubauen und weiterzumachen.“

Wie hat der Anschlag Ihre Arbeit beeinträchtigt?

Mit der jüngsten Renovierung, die erst vor einem halben Jahr endete, hatten wir eigentlich für die Zukunft geplant: Wir wollten in allen Bereichen intensiv weiterarbeiten, und das wollen wir auch weiterhin. Den Kern unserer Arbeit bildete allerdings die Bibliothek, die nicht wieder zu ersetzen ist. Das gilt nicht nur für das Institut, sondern für alle, die etwas mit Deutsch und deutscher Sprache zu tun haben.

Welche Bedeutung hatte denn das Goethe-Institut?

Es war unser erstes Kulturinstitut in Westafrika überhaupt! Es wurde 1961 unmittelbar nach der Unabhängigkeit Togos eröffnet – noch vor dem französischen, das ein halbes Jahr später folgte. Der damalige Präsident Sylvanus Olympio hielt seine Eröffnungsrede damals in deutscher Sprache, denn er konnte sehr gut Deutsch. Daneben gibt es noch das amerikanische Kulturinstitut, das aber sehr in die amerikanische Botschaft integriert ist und nicht so offen wie das deutsche und französische. In den vergangenen zehn Jahren sind noch vier, fünf private togoische Kulturzentren dazugekommen.

Welchen Stellenwert besitzt Deutsch in Togo?

Offiziell ist Englisch die erste Fremdsprache, Deutsch die zweite, während Französisch in Togo als Amtssprache gilt. Das französische Schulsystem hatte Deutsch als zweite Fremdsprache eingeführt, wovon wir heute noch profitieren. Am Goethe-Institut in Lomé haben wir pro Jahr bis zu 1.200 Einschreibungen: Das ist eine sehr hohe Zahl. Außerdem hat sich das Goethe-Institut von Anfang am Aufbau der Germanistikabteilung der Universität beteiligt, die derzeit 400 Studierende umfasst. Diese Studenten waren auf unsere Bibliothek angewiesen, um ihre Diplomarbeiten zu schreiben. Darüber hinaus erreichen wir etwa 200 Deutschlehrer im Land, und es gibt etwa 20.000 Deutsch-Schüler an den Gymnasien.

Wie wirkt sich die deutsche Kolonialzeit auf das heutige Verhältnis zu Deutschland aus? Sie hat viele Menschen das Leben gekostet.

Zu unserer großen Verwunderung wird die deutsche Kolonialgeschichte überwiegend positiv gesehen. Überall, wo sie hinkommen, sagen Togoer: „Das war eine produktive Zeit.“ Ich wundere mich dann immer selbst. Gerade in den letzten Tagen habe ich das wieder ganz häufig gehört. Es besteht eine große Bereitschaft, mit Deutschland zusammenzuarbeiten. Vielleicht hat die Bundesrepublik in der Vergangenheit da nicht genug getan.

Wie haben Sie sich am Goethe-Institut mit der Kolonialzeit auseinander gesetzt?

Wir haben seit unserer Gründung ständig über die Kolonialzeit gearbeitet. Regelmäßig gab es dazu Seminare und Symposien, zu denen sich westafrikanische und deutsche Experten getroffen haben. Es gibt in Togo ein umfangreiches Archiv, das immer noch von deutschen Professoren genutzt wird.

Und wie engagieren Sie sich für das heutige kulturelle Leben in Togo?

Wichtige Bereiche bilden bildende Kunst und Malerei sowie Theater und Poesie. Im westafrikanischen Rahmen mag die Literatur aus Togo nicht so bedeutend sein, im Theaterbereich gilt das nicht: Es gibt hier gute Theater und gute Schauspieler. Etwas nachgeordnet ist leider der Filmbereich, andere westafrikanische Länder wie Ghana mit seiner Filmhochschule sind da sicher weiter. Unsere Aufgaben haben wir immer mehr darin gesehen, über Togo hinauszuschauen und Westafrika als Einheit zu sehen. Darum war es uns immer ein Anliegen, westafrikanische Künstler und Kulturschaffende zusammenzubringen.

Und wie war das Verhältnis zur Bevölkerung?

Es ist eigenartig. Das Goethe-Institut in Lomé ist ja in einem sehr schönen Gebäude beheimatet, wirklich die Perle des ganzen Viertels. Interessanterweise sind die Leute in der Umgebung aber nicht neidisch, sondern stolz auf uns. Gleich 200 Meter entfernt beginnt der große Markt, wo großer Trubel herrscht. Nach der Attacke kam die Bevölkerung aus dem Viertel, um sich den Schaden anzusehen, und die Menschen haben wirklich wehgeklagt über die Zerstörung – als ob es sie selbst getroffen hätte!

Aber irgendjemand muss wütend gewesen sein!

Ich kann nur sagen: Von unseren unmittelbaren Nachbarn hat niemand die Hetze gegen Deutschland und die Gerüchte über einen bevorstehenden Anschlag, die im Zuge der Präsidentschaftswahl kursierten, für bare Münze genommen. Viele Menschen, die sich nach dem Anschlag vor dem Institut versammelten, sagten unverhohlen, dass die Angreifer Angehörige des Militärs gewesen seien. Nun, nachdem einige Zeit vergangen ist, werden wir permanent ermutigt, weiterzumachen.