… die Tram?
: Zur Schnecke werden

Entschleunigung ist eine gute Sache – wenn es dabei um mehr Genuss und Gelassenheit im Leben geht. Weniger gut passt dieses Konzept zu öffentlichen Verkehrsmitteln: Straßenbahnen und Busse im Schneckentempo sind ein Horror für das moderne Großstadtleben. In der Metropole Berlin scheinen die Uhren in dieser Hinsicht allerdings anders zu ticken: Trams werden hier nicht schneller, sondern langsamer.

Um 0,3 Kilometer pro Stunde (von 19,6 auf 19,3) sank die durchschnittliche Geschwindigkeit aller Straßenbahnen, vergleicht man die beiden Jahre 2008 und 2009. Das geht aus einem Bericht des Center Nahverkehr Berlin hervor, der am Dienstag in der Berliner Zeitung zitiert wurde. Misst man nur die Geschwindigkeit der Metrotrams, drosselten die ihr Tempo sogar um 0,4 Stundenkilometer, von 19,2 auf 18,8.

Warum bloß werden die BVG-Fahrzeuge immer leiser, schnittiger, komfortabler, aber nicht schneller? Um die Geschwindigkeit zu erhöhen, gab der Senat in den vergangenen Jahren sogar 19,9 Millionen Euro aus – für Vorrangschaltungen. 136 Ampeln wurden von den Jahren 2006 bis 2008 tramfreundlich gepolt. Mit der richtigen Ampelschaltung steht und fällt der rasche Straßenbahnverkehr. Muss der Fahrer an einer Haltestelle mal länger stoppen, passt die Ampelschaltung schon nicht mehr in den Plan, und die Entschleunigung kommt von ganz allein. Die BVG hat an der Langsamkeit vermutlich ebenso wenig Freude wie die Fahrgäste. Lahme Bahnen bedeuten für das Unternehmen mehr Züge und Fahrer und somit auch mehr Kosten.

Für mehr Schwung im Straßenbahnnetz müsste die Verkehrslenkung der Stadt sorgen und zum Beispiel darauf achten, dass ausgestellte Vorrangschaltungen nach Bauarbeiten auch wieder in Betrieb genommen werden. Oft wird der Autoverkehr wichtiger genommen und der Straßenbahn die Vorrangschaltung einfach abgedreht.

Bis das Zusammenspiel der Interessengruppen und Schaltzentralen funktioniert, bleibt die Straßenbahn eine „Schotterschnecke“. So hat Ende der 90er-Jahre Rüdiger vorm Walde (damaliger BVG-Chef) die Berliner Tram bezeichnet. AE Foto: maha