Das Abstiegsduell

KÖLN Der FC steigt ab, weil es neben dem Fußballplatz immer noch drunter und drüber geht

Et hät noch immer jot jejange, sagt der Kölner. Aber trifft das auch auf den FC zu? Gut, jetzt gibt es mit Trainer Frank Schaefer einen neuen Spirit. Die Spieler mögen ihn. Und er mag die Spieler. Das ist nicht die schlechteste Voraussetzung für eine Rettung in letzter Sekunde. Am Wochenende haben sie nun auch gegen das drittbeste Team der Rückrunde, den VfB Stuttgart, einen Punkt geholt. Schaefer hat nach dem Spiel gesagt: „Die Mannschaft hat heute eine Botschaft gesendet!“ Das mag sein. Aber anderswo in Köln und Umgebung wird auch fleißig gesendet. Ist es, wie so oft, ein Störsender? Manche übermitteln zum Beispiel die Botschaft, dass es Mike Büskens, den Fürther Aufstiegstrainer, bald schon nach Köln verschlagen könnte. Schaefer würde, so macht es die Runde, mit einem Posten als Sportdirektor abgefunden. Coach Schaefer sagt dazu – nichts. Weil er angeblich gar nichts von diesen Personalrochaden weiß. Ist vielleicht auch besser so.

Auch wenn es sich nur um ein Gerücht handeln sollte, so etwas bringt Unruhe in die Mannschaft. Abgelenkt ist der Verein auch durch die sich abzeichnende Schlammschlacht auf der heutigen außerordentlichen Mitgliederversammlung. Es geht um die Kür eines Präsidenten, konkret um die Nachfolge des im November 2011 zurückgetretenen Wolfgang Overath. Es könnte zu einer Kampfabstimmung kommen. Seit Wochen wird rund um das Geißbockheim Stimmung gemacht, auch beim 1:1-Unentschieden am Samstagnachmittag gegen den VfB Stuttgart wurde in der Kurve Wahlkampf betrieben.

„Wir respektieren einander und haben uns in die Hand versprochen, dass wir uns nicht mit Schlammklumpen bewerfen“, sagte Toni Schumacher in einem Interview. Der ehemalige Nationaltorhüter und Vizepräsidentschaftskandidat hat sich mit einem Spinner eingelassen, Werner Spinner. Ihr Gegenspieler ist Karl-Heinz Thielen, der mit dem von den Fans ungeliebten FC-Investor Franz-Josef Wernze ins Rennen geht. „Der Montag ist ganz wichtig, um Ruhe in den Club zu bekommen und endlich die zielführenden Entscheidungen treffen zu können“, sagt Geschäftsführer Claus Horstmann.

Thielens Chancen hatten sich unter der Woche schlagartig erhöht, als sich ausgerechnet Lukas Podolski für ihn ausgesprochen hatte. „Es ist immer besser, wenn die FC-Mitglieder am Montag die Wahl zwischen zwei Gruppen haben und nicht nur eine vorgesetzt bekommen. Ich würde meine Stimme dem Kölner Team Thielen geben“, hatte Podolski einer Kölner Boulevardzeitung verraten. Zwar musste der Stürmerstar auf Druck des Vereins anschließend zurückrudern („Meine Aussage als Spieler des 1. FC Köln war möglicherweise etwas voreilig“), doch die Mitglieder haben den Wunsch des allem Anschein nach zum FC Arsenal abwandernden Torjägers vernommen.

Komisch ist das schon: Da soll ein Trainer, der offensichtlich einen guten Job macht, schon wieder ausgetauscht werden. Und dann hat der FC auch noch Angst vor ein bisschen Basisdemokratie. Was ist so schlimm daran, wenn es zwei Kandidaten gibt und das Fan-Volk die Wahl hat?

Schade wäre es natürlich schon, wenn der Toni Schumacher unterliegen würde. Er haut ja immer so tolle Sprüche raus. Zum Beispiel den: „Ich habe das Gefühl, er (Schaefer) hat mit jedem einzelnen Spieler Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht.“ Is’ das nich jeck? MARKUS VÖLKER

BERLIN Hertha steigt ab, weil der Verein für einen Profifußball mit menschlichem Antlitz steht. Fehler dürfen auch gern zweimal gemacht werden

Ein Erfolg auf Schalke mit dieser Azubi-Abwehr? Völlig ausgeschlossen. Klaas Jan Huntelaar wird nächsten Samstag in der Torschützenliste an Spitzenreiter Mario Gomez vorbeirauschen. Das liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, dass Hertha am Samstag selbst ein Team wie Kaiserslautern mit einer ausgeprägten Aversion gegen den erfolgreichen Abschluss zweimal geradezu zum Toreschießen nötigte. Damit war die zehnte Niederlage vor eigenem Publikum besiegelt. Es bliebe also das letzte Spiel im Olympiastadion gegen Hoffenheim. Wenn man das Heimrecht tauschen könnte, bestünde vielleicht noch Hoffnung. Aber so wird sich der Kreis schließen. Hoffenheims Trainer Markus Babbel wird die Verantwortung tragen für den letzten Stoß, den Hertha BSC in Richtung 2. Liga erhält. Perfekter könnte kein Regisseur eine Tragikkomödie inszenieren.

Mit dem Rosenkrieg zwischen Babbel und Manager Preetz fing der Absturz ja damals an, als das Team auf einem stabilen Mittelfeldplatz die Hinrunde beendete. Es folgte die schwere Depression unter Michael Skibbe, der nach sechs Pleiten wieder gehen musste. Mit Otto Rehhagel wurde zwar der Tabellenstand noch schlechter, die Stimmung aber besser. Ihm ist das Verdienst zuzuschreiben, dass er die Niederlage bei Hertha salonfähig gemacht hat. Auch das ist ein Grund, weshalb die Berliner das Ruder nicht mehr herumreißen werden. Bei seinem Amtsantritt verkündete der 73-Jährige: „Es ist nur ein Spiel. Wenn es nicht reicht, dann eben nicht.“ Und genauso unbekümmert treten die Berliner seither auf. Bei manchen Beobachtern weckt dies das Bedürfnis nach einem Weckruf oder einer Wutrede. Nach dem Spiel gegen Kaiserslautern wurde Rehhagel dementsprechend aufgefordert, doch einmal Stellung zu dem extrem leidenschaftslosen Auftritt seiner Spieler zu nehmen. Dieser sagte nonchalant: „Man möchte manchmal, aber es geht nicht so, wie man sich das vorstellt.“

Mit seinem unverkrampften Umgang mit Misserfolgen scheint Rehhagel im Verein eine Kultur des „Weiter so“ etabliert zu haben. Präsident Werner Gegenbauer hat bereits signalisiert, er würde sich im Falle des wiederholten Abstiegs erneut bei der Mitgliederversammlung Ende Mai zur Wahl stellen. Und an Preetz, so wird gemunkelt, wolle Gegenbauer dann weiter festhalten. Hertha steht für einen Profifußball mit menschlichem Antlitz. Fehler sind dazu da, um verziehen zu werden. Das ist grundsympathisch, für einem Verbleib in der Bundesliga ist dieses Arbeitsklima aber nicht zuträglich.

Ein weiteres Indiz für den bevorstehenden Abstieg ist, dass Rehhagel sich zu einer Behauptung verstieg, die man selten von ihm hört: „Das habe ich bislang noch nicht erlebt.“ Er meinte die vielen Ausfälle seiner Profis. Nach der gelb-roten Karte wird Aushilfsverteidiger Peter Niemeyer für eine Partie gesperrt sein. „Dramatischer geht es ja nicht mehr“, kommentierte dies Rehhagel.

Der Fairness wegen muss man festhalten: Hertha hat sich nicht aufgegeben. Warum die Berliner vor dem Spiel gegen Kaiserslautern auf der Ersatzbank Platz genommen hatten, die ansonsten den Gästen vorbehalten ist, wurde Rehhagel gefragt. „Ich weiß es nicht“, bekannte dieser und wandte sich an den Pressesprecher. „Wir haben versucht, etwas anders zu machen“, erklärte Peter Bohmbach mit einem gequälten Lächeln Rehhagel und den Journalisten. Genutzt habe das leider auch nicht. JOHANNES KOPP