Last-Minute-Karrieren im Sozialministerium

Vor der erwarteten Neuwahl sollen im Sozialministerium noch rasch 126 Mitarbeiter befördert werden. Die FDP spricht von einer „Aktion Abendsonne“ und will die Vorgänge überprüfen. Ministerium bestreitet Zusammenhang mit Wahl

BERLIN taz ■ Es könnte nur ein Routineakt sein. Und doch überschattet ihn der Verdacht des Vetternwirtschaft: Vor der erwarteten Neuwahl im Herbst will das Bundessozialministerium 126 Mitarbeiter befördern.

Ein bloßer zeitlicher Zufall? Werden hier längst geplante und wohlverdiente Karrieresprünge umgesetzt? Oder will Rot-Grün einigen Unterstützern in letzter Minute Lohnzuschlag und Zusatzmacht sichern – bevor es sich mutmaßlich auf die Oppositionsbank verabschiedet? Noch sind die Hintergründe unklar.

Das Sozialministerium selbst weist jeden Vorwurf von sich. Die Beförderungen seien „lange geplant“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Sie hätten nichts mit der bevorstehenden Bundestagswahl zu tun. Dass jetzt geballt befördert wird, sei einzig und allein Folge einer langen Pause. Seit im Oktober 2002 das damalige Arbeits- und Sozialressort vereint worden seien, habe man an einer neuen Beförderungsrichtlinie getüftelt. Seit dem Frühjahr ist sie nun gültig. Und endlich könnten all jene befördert werden, die zwei Jahre lang auf den Aufstieg gewartet hätten.

Konkret werden laut Ministerium 24 Referatsleiter, 30 Referenten, 43 Sachbearbeiter sowie 29 Sekretärinnen und Boten höher gruppiert. Außerdem ist in dem Ministerium, das rund 1.130 Mitarbeiter beschäftigt, eine Organisationsreform geplant – so sagt es ein internes Schreiben des Staatssekretärs Heinrich Tiemann, das dem Focus vorliegt.

Laut Focus protestiert der Personalrat energisch gegen die Neuerungen. Es sei nicht zu verantworten, „so kurz vor einer Bundestagswahl in gravierender Weise die Arbeitsstrukturen zu verändern“. Die Opposition sieht das ähnlich. Sie will die Beförderungswelle nun vom Bundesrechnungshof überprüfen lassen. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Koppelin sprach gestern von einer „Aktion Abendsonne“, die zu durchleuchten „unumgänglich“ sei.

Wie auch immer die Personalrochaden im Ministerium zu bewerten sind – sie durchzuführen hat Tradition in Zeiten des drohenden Machtverlustes. So geriet 1998 die damalige schwarz-gelbe Regierung in die Kritik. Noch pünktlich vor dem Wechsel in Bonn hatte die Koalition zahlreiche Mitarbeiter befördert. Sie habe „verdiente Parteifreunde im Beamtenapparat versorgt“, schrieb damals die Bild am Sonntag. Auch 1998 hatte sich die scheidende Regierung mit dem Hinweis auf „Regelbeförderungen“ verteidigt. COSIMA SCHMITT