Mahnen Sie uns nicht und büßen Sie dafür

Stadt Hamburg verlangt von Straßenbauingenieur Umsatzsteuer für Rechnungen, die sie selbst nicht beglichen hat

Wenn sich vor Gericht jemand entschuldigt, dann in der Regel der Angeklagte. Joachim Nickel aber hatte sich nicht viel vorzuwerfen. Und so war es gestern der Richter am Amtsgericht Altona, der sein Bedauern aussprach, den Bauunternehmer verurteilen zu müssen. „Lieber hätte ich Sie freigesprochen“, beteuerte der Richter, die Gesetze aber ließen ihm leider keine Wahl.

So muss Nickel jetzt rund 1.250 Euro Bußgeld dafür bezahlen, dass er seine Umsatzsteuer nicht entrichtete – an die Stadt Hamburg, die die Misere selbst verursacht hat. Denn die Stadt, größter Kunde des Straßenbauingenieurs, hat diesem fällige Rechnungen monatelang nicht bezahlt: Die Haushaltsmittel, musste Nickel wiederholt erfahren, seien leider erschöpft. Sein Etat war es irgendwann auch.

29 Rechnungen an die Stadt blieben im Zeitraum von Januar 2002 bis November 2004 lange unbezahlt. Mit seiner Firma hat der Ingenieur unter anderem Radrennsportlern bei den jährlichen HEW-Cyclassics den Weg bereitet, indem er deren Route im westlichen Teil der Stadt befahrbar machte. Für den Lohn seiner Mitarbeiter und den Einsatz seiner Maschinen fielen dabei erhebliche Kosten an. Die hat Nickel noch bezahlt. Die Umsatzsteuer für die städtischen Rechnungen irgendwann aber nicht mehr.

Während das Finanzamt Nickel deshalb Mahnungen schrieb, verbat sich sein Auftraggeber, die Tiefbauabteilung des Bezirksamtes Altona, mit Forderungen behelligt zu werden. „Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass unsere Haushaltsmittel ausgeschöpft sind“, schrieb das Bauamt etwa am 3. Dezember 2002. „Wir hoffen auf Ihr Verständnis und bitten Sie, keine Mahnungen zu schicken.“ Im Übrigen wünschten die Beamten „frohe Weihnachten“ und bedankten sich für die „gute Zusammenarbeit“.

Das gleiche Spiel wiederholte sich im darauf folgenden Jahr. Die offenen Rechnungsbeträge gingen dann jeweils in kleinen Raten ab Ende Januar ein, über ein halbes Jahr nach den Cyclassics im August. Da hatte das Finanzamt längst Säumniszuschläge auf die Steuerschuld erhoben, rund 47.000 Euro kamen so insgesamt noch obendrauf. Und am 9. Mai dieses Jahres ging beim Familienunternehmen „Felix Nickel Straßenbau“ dann der Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft ein: 15.467,20 Euro Strafe. Nickel legte Einspruch ein.

„Ich würde Ihnen schon gerne deutlich entgegenkommen“, versicherte ihm gestern der Amtsrichter und bedauerte, allenfalls die Höhe des Bußgeldes mindern, nicht aber ganz von einer Strafe absehen zu können. Das Gesetz verlange nun mal Umsatzsteuer auch auf unbezahlte Rechnungen.

Und so durfte in diesem Fall den Bußgeldbescheid „dieselbe Stelle unterschreiben, die das Desaster erheblich mit verursacht hat“. Elke Spanner