Gegen die Wand

SOLIDARITÄT Berliner Autoren lesen vor der Syrischen Botschaft Texte gegen das Assad-Regime

Am Anfang wirkt alles vergeblich. Die Rollläden der Syrischen Botschaft sind runtergelassen, auf dem Bürgersteig davor stehen drei Absperrgitter. Erst auf der anderen Seite der Kreuzung entdeckt man sie dann: ein Grüppchen von knapp fünfzig Personen. Nach weltweiten Lesungen für Autor Liao Yiwu und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo hat das Internationale Literaturfestival Berlin zu einer weiteren Veranstaltung dieser Art aufgerufen. Diesmal geht es gegen das Assad-Regime, für Freiheit und Demokratie in Syrien. Eine Lesung in Neuseeland hat gerade stattgefunden, eine in Paris folgt im Anschluss.

Es ist, als hätten sich hier, im Botschaftsviertel von Berlin, ein paar Hilflose getroffen, die gegen eine Wand reden. Gegenüber stehen eine Handvoll Gegendemonstranten, die meinen, hier werde für eine Intervention der Nato votiert. Sie übertönen die Veranstaltung. Die eigentlichen Redner – darunter Autor Moritz Rinke und Schauspielerin Ilse Ritter – haben Schwierigkeiten mit der Technik und das Problem, das Mikro in der einen Hand, das Manuskript in der anderen zu halten. Sie lesen einen schwierigen Text: Ein Protokoll aus dem Inneren der syrischen Revolution, „Schrei nach Freiheit“ von Samar Yazbek, die sich im März 2011 der Demokratiebewegung anschloss. Dann erfuhr sie, dass sie auf der Todesliste steht, und ging ins Ausland.

Die eigene Verhaftung

Die Lesenden haben sich für Passagen entschieden, in denen Yazbek von ihrer Verhaftung berichtet. Man erfährt, wie sie durchs Gefängnis geprügelt wurde und die „Jungs von der Demo“ wieder sah – oder das, was die Schergen Assads von ihnen übrig ließen. Und je mehr man sich auf den Text einlässt, desto unwichtiger wird, wie kläglich diese Veranstaltung zunächst schien.

Es ist eine Binsenwahrheit, dass Literatur nicht viel kann, wenn es um Agitation geht. Was Literatur sehr wohl kann: Einzelnen Mut zusprechen. Das zeigt sich spätestens, als sich eine Vertreterin der Exiloppositionsgruppe Higher Commission For Syrian Relief zu den Rednern stellt: Jihan Sikora-Al-Chara erzählt von Kindern, denen die Nägel ausgerissen wurden, weil sie auf eine Mauer malten, Assad solle gehen. Dann bedankt sie sich bei den Anwesenden. Und als die versuchen, bei der syrischen Revolutionshymne mitzusummen, da tut Ulrich Schreiber, der sonst so scheue Leiter des Literaturfestivals, etwas sehr Sympathisches. Er legt den Arm um sie. SUSANNE MESSMER