Der Schwarm der Alten

Rafael Nadal, vor ein paar Tagen erst 19 Jahre alt geworden, gewinnt auf Anhieb die French Open und sagt: „Ich will jeden Tag besser werden.“ Demnächst will er das auch in Wimbledon zeigen

AUS PARIS DORIS HENKEL

Montagmittag hatte er noch einen Fototermin in Paris. Der junge Mann ist kein Freund solcher Dinge und wird schnell ungeduldig dabei, aber was sein muss, muss eben sein. Denn Rafael Nadal, vor ein paar Tagen 19 Jahre alt geworden, will ein guter Profi sein. Als er nach seinem Triumph im feurigen Finale der French Open gefragt wurde, wann er zum ersten Mal in seinem Leben gedacht habe, er könne ein großer Spieler werden, schüttelte er ein wenig unwillig den Kopf und sagte dann: „So was kann man doch nie denken. Aber seit ich ein kleiner Junge war, wollte ich Tennisspieler sein. Und jetzt lerne ich Stück für Stück dazu.“

Es ist sicher eine Hilfe, dass er aus einem Hause stammt, in dem sportliche Meriten einzelner Mitglieder nicht zu Ohnmachtsanfällen führen; die Geschichte seines Onkels Miguel Angel, des früheren Fußballprofis beim FC Barcelona, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Die ganze Familie saß auf der Tribüne, als ihr Rafa gegen den famos spielenden Argentinier Mariano Puerta den ersten großen Titel seines Lebens gewann. Aber es spricht für eine eher unaufgeregte Art, dass Rafaels Eltern zu Beginn des Turniers noch in aller Ruhe Urlaub in China machten und erst zum Halbfinale gegen Roger Federer nach Paris kamen. Bloß kein Tamtam; ein paar Tränen des Glücks durften aber sein, selbst beim starken Sieger. Er habe zum ersten Mal nach einem Sieg geweint, berichtete Rafael, aber das sei doch wohl vollkommen normal, no?

Nadals Abschied aus Frankreich wird von Lobeshymnen begleitet; die alten Meister sind begeistert. John McEnroe schwärmt von der Präsenz des Spaniers auf dem Platz, von der Art, wie er die Dinge selbst in kritischen Situationen im Griff hat, und sagt, diesem ersten Titel würden seiner Meinung nach mindestens drei weitere folgen. Und – das nur nebenbei – leichter werde das Leben für Roger Federer beim wichtigsten Sandplatzturnier der Welt in Zukunft demzufolge nicht. Mats Wilander, dem vor Nadal als Letztem der Coup gelungen war, den Titel im Jahr seines Debüts zu gewinnen (82), hatte schon vor dem Turnier gesagt, der Junge sei für ihn der Inbegriff des Spiels auf Sand: unglaublich schnell auf den Beinen, mit Geduld und Übersicht, aber immer auch mit dem Mumm zum entscheidenden Schlag. Wilander fühlt sich bisweilen von Nadal an Björn Borg erinnert – was die Struktur des Spiels betrifft, sicher nicht Temperament und äußere Erscheinung. McEnroe zieht den Vergleich zum jungen Boris Becker, der damals auch mit kaum glaublicher Selbstverständlichkeit gewann.

Nadal bedankt sich freundlich für die netten Vergleiche, meint aber, soweit sei er noch lange nicht. Sicher, alles ist bestens: Titel gewonnen, dafür im herzlichen Gespräch am Rande des Courts Central die Glückwünsche seines Königs Juan Carlos entgegengenommen, in der (alten) Weltrangliste auf Position drei angekommen. Aber auch jetzt gebe es nur eines: „Lernen. Lernen. Ich will jeden Tag besser werden.“

Weshalb er sich nach dem letzten Fototermin in Paris zügig auf den Weg zum deutschen Rasenturnier nach Halle ins Westfälische machte. Im Gegensatz zu vielen spanischen Siegern früherer Jahre findet er es spannend, auf Rasen zu spielen, und in Halle soll der Spaß losgehen. Aber wieder denkt er zuerst ans Lernen. Sagt, er müsse vor allem Aufschlag und Volley verbessern, und deshalb werde er nicht nur Einzel, sondern auch Doppel spielen.

Wohin das alles führen soll? Wohin im Tennis vieles führt: nach Wimbledon. „Eines Tages will ich da gewinnen“, sagt Rafael Nadal. Die Frage, ob er sich schon in diesem Jahr als einer der Herausforderer sehe, amüsiert aber eher. Kommt Zeit, kommt Rafael, meint auch McEnroe. Der sagt: „Wenn Lleyton Hewitt Wimbledon gewinnen kann, dann gibt es keinen Grund, warum Nadal das nicht eines Tages auch schaffen sollte.“

Einstweilen ist der Stand der Dinge in der Welt des Männertennis so: Roger Federer ist weiter die unbestrittene Nummer eins; daran ändert eine Niederlage gegen Nadal ganz sicher nichts. Aber die Gruppe der Herausforderer – Safin, Roddick, Hewitt –, hat definitiv Zuwachs bekommen. Da steht nämlich nun auch Rafael Nadal, 19 Jahre alt, zugleich stürmisch und cool und ein richtig guter Typ. Roger Federer dürfte nach seinem Sieg in Paris gewarnt sein.