Die Täter von Darfur im Visier

Der Chefankläger beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eröffnet Ermittlungen wegen der Verbrechen in der westsudanesischen Region. Wer allerdings wann und ob überhaupt angeklagt wird, ist gegenwärtig noch völlig unklar

VON BERND PICKERT

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag, Luis Moreno-Ocampo, hat gestern offiziell die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen mutmaßliche Verantwortliche für schwere Menschenrechtsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur verkündet. Am 31. März diesen Jahres hatte der Weltsicherheitsrat der UNO den IStGH mit der Verfolgung der Verbrechen in Darfur beauftragt. Es ist das erste Mal seit der Gründung des Gerichtshofes im Jahr 2002, dass er vom Weltsicherheitsrat der ein solches Mandat erhält. Bislang ermittelt die Den Haager Anklagebehörde zu Fällen in Uganda und Kongo.

Tausende Dokumente unterschiedlichster Herkunft sind der Anklagebehörde inzwischen zugegangen. Unter den Akten, die eine Internationale Untersuchungskommission für Darfur und UN-Generalsekretär Kofi Annan übergeben haben, befindet sich auch eine Liste, auf der nach Presseberichten 51 Verdächtige namentlich genannt werden. Ob es sich dabei nur um mutmaßliche Tatbeteiligte handelt oder auch um politische Verantwortliche, etwa sudanesische Regierungsmitglieder, wollte ein Sprecher der Anklagebehörde gestern gegenüber der taz nicht kommentieren ebenso wenig wie die Frage nach dem Zeithorizont bis zu einer möglichen Anklage.

Moreno-Ocampo forderte alle Seiten auf, der Anklage mit Informationen zu helfen. Die Ermittlungen seien „Teil einer gemeinsamen Anstrengung, die die Initiativen der Afrikanischen Union und anderer für ein Ende der Gewalt in Darfur ergänzt und Gerechtigkeit fördern soll“, sagte er.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte den Schritt der Anklagebehörde als einen „wesentlichen Schritt“ auf dem Weg zur Verurteilung der Verbrechen in Darfur, denen nach UN-Angaben in den letzten zwei Jahren rund 180.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Sudans Regierung habe „keinerlei bedeutende Schritte“ unternommen, um die Verantwortlichen für schwerste Verbrechen seit Februar 2003 zur Verantwortung zu ziehen.

Nach dem Statut des IStGH kann dieser nur tätig werden, wenn das betreffende Land entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, die angezeigten Verbrechen selbst strafrechtlich zu verfolgen. Die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens bestätigt, dass der Chefankläger diese Umstände als gegeben sieht. Da der Sudan allerdings nicht Mitgliedsstaat des IStGH-Statuts ist, war die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens nur nach einer Überweisung durch den Sicherheitsrat möglich.

Unklar ist, ob es auch zu einem Verfahren kommt, wenn in den nächsten Monaten doch ernsthafte Friedensgespräche aufgenommen werden sollten. Sollte die Drohung mit Strafverfolgung von Regierungsmitgliedern nämlich die Möglichkeit einer Verhandlungslösung erschweren, können die Ermittlungen ausgesetzt oder eingestellt werden. Bislang allerdings hat Khartoum keinerlei Zeichen ausgesandt, die auf solch einen Schwenk hindeuten würden.