„Aggression ist gut“

FACHTAG Das Mädchenhaus hat Expertinnen zum Thema „aggressive Mädchen“ eingeladen

■ 48, Psychotherapeutin, führt eine Praxis und arbeitet in der feministischen Bildungsarbeit.

taz: Aggressive Mädchen – es ist doch eigentlich erst mal nicht verkehrt, wenn Mädchen nicht alles an sich selbst auslassen?

Carola Spiekermann: Ja, genau! Hinter aggressiven Gefühlen verbirgt sich die Information, „mir gefällt etwas nicht“. Sich ärgern ist ein wichtiger Impuls, um etwas zu ändern. Wenn es denn gelingt, diese Energie auch konstruktiv zu nutzen.

Daran scheitern die Mädchen, um die es heute geht?

Es geht um diejenigen Mädchen, die ihre aggressiven Impulse auf destruktive Weise äußern – entweder indem sie Ärger herunterschlucken oder indem sie mit Beziehungsabbruch drohen oder indem sie offen oder verdeckt gewalttätig werden.

So redet man nicht über Jungs.

Nein, die nennt man dann eher „durchsetzungsstark“. Dafür haben Jungen es schwerer, wenn sie trauern.

Finden solche Mädchen auch schwerer Gehör in einer Beratungsstelle? Weil die Arbeit viel schwieriger ist als mit einem still leidenden Mädchen, das man einfach in den Arm nehmen muss?

Es gibt bestimmt Pädagoginnen, die sagen „ich kann besser mit einem motzigen Mädchen als mit einer, die an sich herum schnippelt“. Aber in der Supervision erlebe ich, dass viele ratlos sind und nicht wissen, wie sie z.B. mit ihrer eigenen Aggression gegen ein Mädchen umgehen sollen.

Und darf man zeigen, dass man sauer ist?

Prinzipiell ja. Das Mädchen kann an einer solchen Beziehung wachsen, wenn sie erfährt, da hält mich eine aus, die geht nicht weg, sondern setzt sich mit mir auseinander. Das ist für viele eine neue Erfahrung. Fragen: eib

Die verborgene Aggressionskultur von Mädchen – Fachtag mit den Referentinnen Carola Spiekermann und Astrid Peter: 26. 4. , 10-17 Uhr, Bürgerhaus Weserterassen