Die Folgen von Marie Antoinette

MUSICAL-MILLIONEN Krise konkret: Das Defizit des Theaters fordert zahlreiche kleine und große Opfer. Unter anderem werden die Verträge mit Besucherring und VBN gekündigt

Die Abschaffung der kombinierten ÖPNV- und Theatertickets soll 56.000 Euro bringen

Von Henning Bleyl

„Die Höhe der noch offenen Rechnungen ist nicht bekannt.“ Dieser beunruhigende Satz, der sich auf das bereits mit 2,5 Millionen Euro Defizit verbuchte Musical „Marie Antoinette“ bezieht, ist Teil des vorläufigen Untersuchungsergebnisses der Wirtschaftsprüfer von „Fides Treuhand“. Das aktuelle Gesamtdefizit des Theaters muss also mit der Formel „vier Millionen plus x“ umschrieben werden. Vor diesem Hintergrund haben Kulturressort und Theater „substantielle Einsparungen“ beschlossen.

In den kommenden beiden Jahren betragen sie die in der Öffentlichkeit benannten zwei Millionen Euro, bis einschließlich der Spielzeit 2013/2014 sollen sie sich jedoch auf fast drei Millionen Euro summieren. Bereits angekündigt sind einschneidende Maßnahmen wie die Reduzierung des künstlerischen Etats um jährlich bis zu 835.000 Euro sowie der Marketingkosten um 100.000 Euro. Um den Gesamtsparbetrag zusammen zu bekommen, wird nun jedoch eine veritable Kündigungswelle auch in Bereichen losgetreten, die von der Öffentlichkeit weniger wahrgenommen werden.

Im Personalbereich sind zwar „nur“ die Aushilfen betroffen, deren „drastische Reduzierung“ soll laut Konsolidierungskonzept in dieser sowie der kommenden Spielzeit insgesamt 100.000 Euro einsparen. Für die Festangestellten gilt Kündigungsschutz bis zum 31. 12. 2012. Da bei längerer Krankheit oder Elternzeit in der Regel jedoch kein befristeter Ersatz mehr angestellt wird, sind auch die mittlerweile nur noch 396 „Festen“ betroffen. Für das Ziel, auch Väter zur Wahrnehmung von Elternzeit zu bewegen – um nur eines von vielen Einzelproblemen heraus zu greifen – wird diese Einsparung verheerend sein.

Opfer zur Stopfung des Finanzlochs finden sich in sämtlichen Bereichen, das Theater kündigt Verträge aller Art: die Zusammenarbeit mit dem „Besucherring“, den Fernwärmevertrag mit „Immobilien Bremen“ und die Vereinbarung mit dem Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) – die Abschaffung der kombinierten ÖPNV- und Theatertickets, eine ökologisch-logistische Errungenschaft der 90er Jahre, trägt mit 56.000 Euro pro Spielzeit zur Konsolidierung bei.

Auch die Zuschauer selber bekommen die Folgen des Musicaldesasters und der anderen Defizite zu spüren: Ihr Beitrag bis 2012 ist im Konsolidierungskonzept mit etwa 300.000 Euro eingeplant. Grundlage ist die Erhöhung der Eintrittspreise in zweijährigem Rhythmus um durchschnittlich fünf Prozent. Durch höhere Garderobengebühren sollen weitere 93.000 Euro jährlich erwirtschaftet werden.

Nicht kalkuliert sind hingegen mögliche Verluste durch die Vertragskündigungen. Der „Besucherring“ etwa erreicht mit Hilfe einer gewachsenen Struktur von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen jährlich 30.000 Menschen aus dem Umland, darunter zahlreiche SchülerInnen. Für sie werden in einem Radius von etwa 100 Kilometer um Bremen Spielplanberatungen und Busfahrten zum Theater organisiert. Diese Arbeit soll laut Konsolidierungsplan künftig „durch eine freie Honorarkraft geleistet“ werden.