Herne ignoriert UN-Appell

Eine suizidgefährdete Kosovarin wird von der Stadt Herne in ihre Heimat abgeschoben. Sie missachtet damit den Aufruf der UN-Verwaltung, traumatisierte Personen nicht abzuschieben

VON NATALIE WIESMANN

Die Stadt Herne will morgen eine stark suizidgefährdete Frau in den Kosovo abschieben. Ein aktuelles Gutachten des örtlichen Gesundheitsamtes hat den Weg dafür frei gemacht. Der Leiter des Gesundheitsamtes kommt zu dem Schluss, dass Hatmon Iberdemaj „flugtauglich“ sei. Damit wurden vorherige Gutachten für nichtig erklärt, die vor einer Abschiebung der kriegstraumatisierten Frau dringend abrieten. Auch das Gesundheitsamt selbst hatte die 56-Jährige in vorherigen Untersuchungen für nicht ausreisefähig erklärt.

Bis vor kurzem drehte sich in der Stadt Herne alles um die Abschiebung ihres 21-jährigen Sohnes Met (die taz berichtete). Nur durch den Einsatz eines großen Unterstützerkreises konnte seine Ausweisung aufgeschoben werden. Für die Abschiebung der Mutter ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster verantwortlich, auf den sich das Ausländeramt in Herne beruft. Das OVG erklärte die Ausweisung der selbstmordgefährdeten Hatmon Iberdemaj für möglich, weil die Patientin in ihrem Heimatland weiter behandelt werden könne.

Doch das ist nur Theorie. In einer Mitteilung vom Januar 2005 informiert die UN-Verwaltung im Kosovo, UNMIK, über die Behandlungsmöglichkeit von Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) im Kosovo. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Versorgung dieser Personen unzureichend ist und betont noch einmal, dass von Abschiebungen dieses Personenkreises in den Kosovo abgesehen werden soll. Problematisch sei laut UNMIK weiterhin die zu geringe Anzahl von therapeutisch ausgebildeten Ärzten, die mangelnden finanziellen Mittel, und die unzureichende Versorgung in ländlichen Gebieten.

Eine Aussage, die die UnterstützerInnen der Familie Iberdemaj nicht aufgeben lässt. „Wir werden versuchen, eine Aussetzung zu beantragen“, sagt Günter Nierstenhöfer, der für die Alternative Liste im Rat sitzt. Dabei will er sich auf einen Erlass des Innenministeriums vom Dezember 2004 berufen, der den Begriff der Reiseunfähigkeit auf den Prüfstein stellt. Die Ausländerbehörden sollten demnach nicht nur sicher stellen, dass die abzuschiebende Person flugtauglich sei. „Erheblich ist die Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand im Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde und dies auch nicht durch eine dort zugängliche zureichende Behandlungsmöglichkeit abgewendet werden kann.“ Bei Hatmon Iberdemaj treffen beide Kritierien zu.

Das scheint die Stadt Herne nicht zu interessieren. „Das Verfahren ist abgeschlossen“, sagt Pressesprecher Gerd Werner zur taz. Die Versorgung der Frau sei auch im Herkunftsland sichergestellt. Ob die Frau morgen abgeschoben würde, wisse er nicht. „Die Frau ist zur Zeit in der Psychiatrie, solange sie dort ist, werden wir nichts unternehmen.“ Den morgigen Abschiebetermin hatte der Anwalt der Familie Iberdemaj seiner Klientin genannt.

„Den Behörden ist es völlig egal, was den Flüchtlingen im Heimatland passiert“, sagt Andrea Genten vom Flüchtlingsrat NRW. Das Problem liege aber auch bei den Politikern. „Auf der letzten Innenministerkonferenz ist der ‚Einstieg in die Abschiebung von Minderheiten in den Kosovo‘ als Erfolg gefeiert worden.“

Der Landesinnenminister Fritz Behrens (SPD) hatte jedoch angekündigt, sich beim nächsten Treffen mit seinen Kollegen am 23. Juni dafür einzusetzen, dass lange hier lebende Flüchtlinge ein Bleiberecht erhalten. Einen Tag vor der Innenministerkonferenz muss er jedoch seinen Platz räumen. Der Flüchtlingsrat hofft, dass auch Behrens Nachfolger – höchstwahrscheinlich FDP-Chef Ingo Wolf – sich für eine solche Altfallregelung einsetzen wird.