DER FREIE TAG: Allzeitbereitmode

In Bad Füssen wirste dafür gesteinigt

Letztens hatten meine Freundin Anna und ich einen Tag frei. Das erste Mal seit über zwei Jahren. Keine Jobs, keine Kinder, keine Uhrzeit. Das Ziel unserer kleinen Freiheit: eine Therme in Brandenburg. Dort angekommen stellen wir fest: Hier herrscht Liegenbesetzertum. Kurz echauffiert, dann auch schön Liegen mit Handtuch okkupiert, und ab in den Whirlpool.

Entspannt mäandere ich im Außenblubberbereich. All der Alltag Unbill: weg. Nur dass die Frau zu meiner Rechten immerzu ihre Füße in meinen Hoheitsbereich quaddeln lässt. Zur Linken hat sich ein silbriger Herr an die Düsen gelehnt. Er und seine Holde sind erstaunt, dass heute nicht nur „dicke Alte“ da sind. „Dat is ja Karibik hier.“ Drei Blondinen in Animalprint-Bikinis suchen eine nicht besetzte Liege im Freien. Meine ist schon seit einer halben Stunde ungenutzt belegt. Aber drinnen. Der Mann neben mir findet wohl, dass ich so langsam mal fertig bin mit Whirlpool, sitzt mir irgendwie zu nah dran. Lächelnd mach ich mich ein wenig bequem. Anscheinend ist gerade jemand vom Beckenrand gesprungen. „Dat sollste mal in Bad Füssen machen. Da wirste gesteinigt.“

Zeit für eine Schwitzkur. Die Bio-Sauna ist kreislaufschonend, die Köpfe zerbrechen wir uns trotzdem. Wieso rasieren sich erwachsene Menschen das Genital? Nacktmulle und Päderastenträume. Besonders seltsam erscheint uns die Variante haariger Rücken und schierer Pimmel. Aber gleichzeitig mit dieser Allzeitbereitmode bemerken wir eine neue Gschamigkeit. Neben den gestählten Vollrasierten sitzen Damen züchtig in Bikinis oder gleich Bademänteln in der finnischen Hitze. Auf dem Wasserbett im Ruhebereich denke ich noch kurz drüber nach, bis ich vom eigenen Geschnarche aufwache. Jetzt genehmigen wir uns noch einen Sundowner und dann geht es bestens erholt zurück nach Berlin. SYLVIA PRAHL