Exilpolitiker auf der Todesliste

Achmed Zakajew suchte immer den Kontakt zu seinen Feinden, wollte den Konflikt durch Verhandlungen beenden

Geht es nach dem Willen der islamistischen Rebellen im Nordkaukasus, dann ist der Chef der tschetschenischen Exilregierung „Itschkeria“, Achmed Zakajew, vielleicht bald ein toter Mann. Ein entsprechendes Urteil fällte das Oberste Scharia-Gericht des „Emirats Kaukasus“ am Dienstag. Zur Begründung hieß es, Zakajew lehre eine „demokratische Religion“, rufe zum Säkularismus auf und stelle weltliche Gesetze über die Scharia-Gesetze Allahs.

Damit steht ausgerechnet der Mann am Pranger des islamistischen Widerstands, der von Anfang an das separatistische Aufbegehren Tschetscheniens gegen die Moskauer Machthaber mitgetragen hatte.

Zunächst hatte nichts darauf hingedeutet, dass der 50-Jährige, der im Londoner Exil lebt, einmal gegen Russlands Armee kämpfen würde. Der studierte Schauspieler war von 1981 bis 1993 am dramatischen Theater in Grosny tätig. 1994 ernannte Dschochar Dudajew, der Präsident der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“, ihn zum Kulturminister. Im ersten Tschetschenienkrieg wurde Zakajew Feldkommandeur und Brigadegeneral der Truppen der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“. Als Russland mit der tschetschenischen Regierung Verhandlungen über einen Waffenstillstand begann, saß Zakajew mit am Verhandlungstisch.

Auch andere Präsidenten der „Itschkerias“ verließen sich auf das Geschick Zakajews. Aslan Maschadow bevollmächtigte ihn, die Republik in der Türkei, dem Nahen Osten und im Westen zu vertreten. Moskau war erzürnt. Bei einem Dänemark-Besuch 2002 wurde Zakajew verhaftet. Der Grund: Moskau hatte über Interpol von Dänemark die Auslieferung Zakajews gefordert. Doch Dänemark lehnte ab. Wenig später wurde Zakajew kurzzeitig in London festgenommen, ebenfalls auf Geheiß Moskaus.

Doch Zakajew suchte immer den Kontakt zu seinen Feinden, wollte den Konflikt durch Verhandlungen beenden. Mit dem Todesurteil wollen sich die islamistischen Aufständischen offensichtlich für den Annäherungskurs rächen, den Zakajew gegenüber dem tschetschenischen Präsidenten Kadyrow fährt. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Zakajew nun auch die Häscher des „Kaukasischen Emirats“ fürchten muss.

BERNHARD CLASEN