Teure Geschenke

KRISEN Hanno Beck und Aloys Prinz erklären nachvollziehbar, was es mit der Staatsverschuldung auf sich hat. Dem Thema Wirtschaftswachstum bleiben sie jedoch verpflichtet

VON FELIX EKARDT

Noch in den 1980er Jahren dachte man, das Thema Staatsverschuldung sei kein großes Problem. Einen Ostblock-Zusammenbruch und einige Finanzkrisen später – inklusive explodierender Staatsschulden – sieht man das etwas anders. Doch sind die Dinge so komplex, dass nahezu keiner wirklich durchblickt, Fachleute und Politiker inbegriffen. Dem will das neue kleine Büchlein von Hanno Beck und Aloys Prinz zu „Staatsverschuldung. Ursachen, Folgen, Auswegen“ abhelfen und den Stand des Wissens zum Thema für Fachleute und Laien weiterführend aufbereiten.

Das gelingt Beck und Prinz gut. Sie schreiben durchgehend flott und gut verständlich und kommen dennoch zu Erkenntnissen, die selbst vielen Fachökonomen nur begrenzt geläufig zu sein scheinen. Eindrucksvoll und präzise schildern die Autoren die Geschichte der Staatsschulden und Grundlagen der Staatspleiten. Sie rufen ins Gedächtnis, dass es auch im 20. Jahrhundert viele Dutzend Staatspleiten gab, die beiden deutschen Pleiten von 1923 und 1948 eingeschlossen, und dass es trotzdem immer noch kein allgemeines Insolvenzrecht für Staaten gibt.

Im Einzelnen entfalten die Autoren auch die Vorstellung, dass Staatsschulden im Kern das Wachstum behindern und dies ihr Hauptproblem sei. Zumindest solange keine wachstumsförderlichen „Investitionen“, sondern bloßer „Konsum“ wie etwa Sozialausgaben auf Pump finanziert werde. Präzise werden dabei auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Inlands- und Auslands-Staatsverschuldung betrachtet.

Treffend schildern die Autoren die Neigung der Politik zur Verschuldung, mit der sich heute Wahlgeschenke machen lassen, die dann später andere bezahlen müssen. Ebenso zutreffend wird gezeigt, dass Mechanismen wie die neue deutsche – und demnächst europäische – Schuldenbremse das nur dann abstellen können, wenn sie keinerlei Schlupflöcher bieten. Der Rezensent darf hier ergänzen, dass die Schuldenbremse diese „Schlupflochfreiheit“ vermutlich nicht bieten wird. Übergangen wird von Beck und Prinz zudem, dass Politik nicht auf die Politiker zu reduzieren ist. Wahlgeschenke auf Pump erfordern vielmehr auch Bürger und Wähler, die die Geschenke annehmen und verdrängen, dass die Schulden später mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen sind.

Noch etwas deutlicher hätten die Autoren machen können, dass die aktuelle Schuldenkrise im Euroraum, egal wie man reagiert, voraussichtlich große finanzielle Schäden verursachen wird. Zwar kann man gegenüber den schwächelnden südeuropäischen Staaten vorschlagen: Wir brauchen EU-weit künftig ein striktes Hilfsverbot zwischen Staaten, um keinen Anreiz zum Schuldenmachen zu schaffen, plus strikte Haushaltskonsolidierung plus eine vereinheitlichte Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Wenn aber kurzfristiges Sparen den wirtschaftlichen Zusammenbruch etwa in Griechenland noch beschleunigen kann, umgekehrt Finanzzuschüsse aber wieder zu fiskalischer Unseriosität reizen, dann fällt es schwer, sich für eines von beiden zu entscheiden. Wobei die „reichen“ Deutschen und Franzosen so oder so hohe Folgekosten tragen werden.

Ein zentraler Mangel bei Beck und Prinz ist, dass sie bei den negativen Schuldenfolgen wie auch bei den Gegenmaßnahmen im Kern dem ewigen Mantra Wirtschaftswachstum verpflichtet bleiben. Sie übersehen damit bereits, dass nennenswerte Wachstumsraten in Europa auf dem erreichten Wohlstandsniveau kaum noch möglich sind. Ferner sprechen die Endlichkeit der Welt und ihrer Ressourcen sowie der Klimawandel, der eben nicht allein technisch bei gleichzeitig weiter wachsendem Reichtum lösbar ist, gegen den Traum vom ewigen Wachstum.

Und macht Wirtschaftswachstum Menschen überhaupt glücklicher, wenn die Grundbedürfnisse erst einmal erfüllt sind? Sind nicht Anerkennung, erfüllende Aufgaben, soziale Kontakte, eine gesunde Umwelt und Straßen, auf denen Kinder noch spielen können, viel erfüllender als das ewige Hamsterrad, wer materiell mehr hat?

Ebenso verschweigen Beck und Prinz, dass Schuldenschübe durch Finanzkrisen durch eine stärkere Regulierung der Kapitalmärkte der Welt vermeidbar wären. Dafür bräuchte man allerdings mehr Kooperation und mächtigere internationale Institutionen. Die eifersüchtig gehütete nationale Souveränität müsste stärker zurücktreten. Dennoch haben die Autoren ein wichtiges Buch geschrieben, wo Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und Bürger oft gemeinsam im Dunkeln tappen. Mehr Aufklärung ist deshalb nötig.

Hanno Beck/ Aloys Prinz: „Staatsverschuldung. Ursachen, Folgen, Auswege“. C. H. Beck Verlag, München 2012, 126 Seiten, 8,95 Euro