taz-Themen der Woche

Vermischtes

■ betr.: „VW soll Minderheiten schützen“, taz vom 22. 4. 12

Im Gegensatz zu früheren Begegnungen war der unterwürfige Auftritt der Kanzlerin gegenüber dem chinesischen Regimechef Wen Jiabao diesmal armselig. Wer glaubt, man könne Diktaturen besänftigen oder berechenbarer machen, indem man sie mit Aufträgen und Produktionsstätten überhäuft, unterliegt einem gefährlichen Irrglauben. Siehe unsere eigene Vergangenheit: Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 gab es im Dritten Reich einen wirtschaftlichen Aufschwung, auch bedingt durch große Investitionen ausländischer Unternehmen. So lieferten 1939 die hiesigen Betriebsstätten der US-Konzerne General Motors und Ford 70 Prozent der Autos für den deutschen Markt. Am 30. Juli 1938 bekam Henry Ford die höchste Auszeichnung des NS-Staates für Ausländer verliehen: das „Großkreuz des Adlerordens“. Erst mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 kühlte das deutsch-amerikanische Verhältnis ab. Dennoch: Die Wehrmacht-Lkws sowie die Flugzeuge der Luftwaffe stammten zum Großteil aus US-Lizenzproduktion. Auch wenn autoritäre Regime nicht eins zu eins miteinander vergleichbar sind: Wer Diktatoren hofiert und mit Großaufträgen beglückt, bestätigt sie nur in ihrer menschenverachtenden Politik. Was sich kürzlich auf der Hannover-Messe und bei VW in Wolfsburg abgespielt hat, ist für die politisch Verfolgten und Inhaftierten in China ein Schlag ins Gesicht! THILO CLAVIN, Lüneburg

■ betr.: „Das Ego-Deppen-Ticket der Deutschen Bahn“, taz, 25. 4. 12

Liebe Wahrheit, Du hast so recht: Vor den Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn sah man auch schon junge Computerfreaks weinend in die Knie gehen. Aber Du hast den Lesern die Lösung des Problems durch einen ostfriesischen „Feldversuch“ vorenthalten. Unser „Bahnhofsproblembürger“ in Norden hat vor längerer Zeit schon das Problem erkannt. Gegen eine Gebühr von 1 Euro zog er für die betreffenden Kunden die Fahrkarte. Also nicht: „Haste mal einen Euro?“, nein, der „Problembürger“ wurde zum „Bürger für Probleme“. Sein Zuspruch war so gut, dass er sich bald von diesem „1-Euro-Job“ zurückziehen konnte. ULRICH RÄTH, Norden

■ betr.: „Die Privilegienmuschi“, taz vom 27. 4. 12

Julia Schramm wird als Bühnenarbeiterin porträtiert, die die Spielregeln einer mediendominierten Gesellschaft schon sehr gut verinnerlicht hat. Sie ist sich ihrer äußerlichen Wirkung wohl bewusst und setzt diese gezielt ein. Dazu gehört auch die unvermeidliche Medienverweigerung und Selektion als Mosaikstein eines wohl durchdachten Imageaufbaus. Dass sie letzten Endes politisch und gesellschaftlich nur wenig einbringt, wirkt daher marginal. Kritik wird von ihr, wenn nicht zur Imagestrategie passend, als Projektion abgetan. Sie spielt sehr genau mit politischen und gesellschaftlichen Stereotypen und Klischees. Flankierend wirken sich hier die Öffentlichkeitsdefizite ihrer Parteikollegen und eines verwuschten Parteivorsitzenden aus, die ihr zuspielen. UWE ROOS, Spiesen-Elversberg

■ betr.: „Israel erkennt drei illegale Siedlungen an“, taz v. 26. 4. 12

Wo sind jetzt die selbsternannten Richter über Günter Grass, oder die lautesten Schreier nach seinem Gedicht? Wo sind die Kommentare von Frau Knoblauch oder des Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, wenn die israelische Regierung erneut illegale Siedlungen anerkennt und damit zum wiederholten Male gegen die Völkerrechtskonvention der UN verstößt und eindeutig Völkerrecht verletzt. Wieder wird der Anlauf der Palästinenser zu einem Frieden boykottiert.

Damit wird doch deutlich, um was es Israel geht! Landokkupation! Gehört das auch zu der gebetsmühlenartigen Formel „Wir müssen uns gegen unsere Feinde verteidigen“? Ich nenne das Offensive. Und wieder ist nur Schweigen im Walde. ALBERT WAGNER, Bochum

■ betr.: Der 1. Mai und die Gewerkschaften

Der DGB ruft traditionsgemäß zur 1.-Mai-Feier auf. Unter welcher weichgespülten und bittstellenden Losung die feierlichen Umzüge stattfinden sollen, das ist seit Jahren schon eher uninteressant und längst fast peinlich. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes wird wohl kritische Betrachtung am Rande der musikalischen Frühschoppen und Volksbelustigungen finden.

Die kämpferischen Zeiten als auch die Zeiten ritueller Mai-Demonstrationen gehören der Vergangenheit an. Klassen und Klassenkampf sind böse Worte, die kaum ein Gewerkschafter mehr in seinem Sprachschatz hat. Was die Otto Brenner und Willy Bleicher den Arbeitern zu sagen hatten, scheint nicht mehr modern. Alles das, obwohl es allen Grund für Millionen Lohnarbeiter, Hartz-IV-Empfänger, Jobber, Aufstocker und Tagelöhner in diesem Deutschland gäbe, sich der Ursprünge des 1. Mai zu erinnern, der Kämpfe, Niederlagen und mühsamen Siege.

Wer glaubt in den Gewerkschaften heute noch, dass die Geburtsstunde des 1. Mai als proletarischer Feier- und Kampftag für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Australien 1856 noch einen Bezug zu heute hätte? ROLAND WINKLER, Aue

■ betr.: „Ja, auch am Nachmittag“, taz vom 25. 4. 12

Lehrerbashing ist unangebracht. Die Verantwortung der Eltern ist ebensowenig ein Missverständnis wie die der Lehrerschaft. Letztere sind verantwortlich – aber eben in der Schule!

Zu glauben, durch Ganztagsschulen sei das Problem schon aus der Welt, ist naiv. Die Erfahrung von GanztagsschülerInnen zeigt, dass mehr gemeinsame Zeit mit den AltersgenossInnen als Gewinn erlebt wird. Kinder, die nach der Ganztagsschule keine Hausaufgaben mehr machen sollen, müssen aber trotzdem ihre Vokabeln auch zu Hause lernen. Die Einsicht vermittelt die Schule nicht allein, das Kind muss daheim erleben, dass die Eltern sein Bemühen ernst und daran Anteil nehmen.

Natürlich sind mehr Ganztagsschulen wünschenswert, gerade – aber nicht nur – angesichts sozialer Benachteiligung. PETER DAHLHAUS, Köln

■ betr.: „Millionen für die Festung Europa“, taz vom 26. 4. 12

„Die größte Gruppe, die die Bundesrepublik in der Vergangenheit aufgenommen hat, waren rund 350.000 Flüchtlinge aus Exjugoslawien. Eine Studie ergab 1999, dass ihre Zahlungen in die Sozialkassen und ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung unter dem Strich ein Nettoplus ergaben“, schreiben Sie. Leider wurde Mitte der 90er Jahre die Gesetzeslage so geändert, dass ihnen der Arbeitsmarkt nahezu völlig verschlossen ist. Sprachkurse sind für sie nicht vorgesehen, nur gelegentlich werden in Ballungszentren Kurse auf ehrenamtlicher Basis oder von Wohlfahrtsverbänden angeboten. Obwohl man mittlerweile für den Personenkreis der „Gastarbeiter“ und deren Nachkommen Integration als wichtig erachtet, dürfen sich die „Flüchtlinge“ erst integrieren, wenn sie einen richtigen Aufenthaltsstatus erworben haben. Das dauert bisweilen viele Jahre.

Flüchtlinge, die aus Menschenrechtsgründen ins Land kamen, sollen sich überhaupt nicht integrieren, sie beziehen auf ewig Asylbewerberleistungen. Sprachkurse können sie nur mit viel Glück besuchen. Können und wollen wir uns dass leisten?

Wenn die Hälfte der Asylbewerber dauerhaft bleibt, wäre es dann nicht besser, einen Paradigmenwechsel einzuläuten und allen sofort (verpflichtend) Deutschkurse anzubieten? Diejenigen, die zurückkehren müssen oder wollen, hätten dann zumindest etwas gelernt. Diejenigen, die bleiben, könnten sich schneller integrieren. Und dem Konzept der Menschenwürde käme das ganz nebenbei auch näher. ANDREA KORNAK, Ratingen

■ betr.: „‚Sicherheit und Ordnung‘ in Gefahr“, taz.de vom 20. 4. 12

so ist es: in krisen- und wahlzeiten glauben einige politiker, auf diese weise stimmen fangen zu können. leider fallen immer wieder menschen auf diese meinungsmache herein, statt sich mit dem flüchtlingsproblem auseinanderzusetzen. niemand verlässt sein zuhause so mal eben. menschen sind durch kriege gezwungen zu fliehen. dabei sollte man sich im klaren sein, dass deutschland mit seinen waffenlieferungen mit an der spitze der staaten steht, die am elend anderer verdienen. ein weiteres problem ist der hunger, der durch nahrungsmittelspekulationen oder das überfischen der für „ur“-bevölkerungen lebensnotwendigen fanggründe verursacht wird. überall, wo es für wirtschaft und industrie etwas zu holen gibt, lässt sie die rechte der einheimischen außer acht und „kooperiert“ mit den oft korrupten regierenden und bedient sich. marie, taz.de

■ betr.: „Mit Hightech gegen Flüchtlinge“, taz vom 26. 4. 12

Die unzähligen Toten, schämt sich Europa nicht? Die Rückkehr des Schlagbaums, wem dient es wirklich. Den Firmen, die all diesen Mist anbieten. Frankreich ist politisch sicher kein Vorbild. So sollte keine Europapolitik sein. Der Terrorismus wird als Vorwand genutzt, um an weitere Daten der Europäer heranzukommen. Diese Europapolitik ist beschämend, weil so viele Tote in Kauf genommen werden.

Niemand will Verantwortung tragen oder sie wird, wie in diesem Fall, weit von sich geschoben. INGRID PÜTZ, Baunatal

■ betr.: „‚Sicherheit und Ordnung‘ in Gefahr“, taz.de 20. 4. 12

In Kriesenzeiten muss ein Sündenbock her. Überall in Europa nimmt Rassismus zu. Auch hier, was der völlig verkrampfte Umgang mit dem Islam zeigt. Wo geht denn eine Gefahr von illegalen Einwanderern aus? Der Hamburger Hafen funktioniert gar nicht ohne Illegale, die für Hungerlöhne arbeiten. Deutsche Unternehmen mischen überall mit, wenn es Kohle zu verdienen gibt. Aber die Leidtragenden sollen sich nicht an unseren Grenzen blicken lassen. In was für einem beschissenen Land lebe ich eigentlich? Andreas J, taz.de

■ betr.: „Diamanten und Unruhen“, taz vom 27. 4. 12

Es ist nicht nur Sierra Leone, sondern auch Liberia und Guinea, wo die reichen Eisenerzvorkommen wirtschaftlich eine große Rolle spielen werden. In diesem Bereich war schon immer die Korruption groß, die Eisenerz-Konzessionen wurden nicht durch faire Ausschreibungen vergeben. In Sierra Leone wird heute wieder in der alten Erzmine Marampa von London Mining Erz abgebaut und Tonkolili ist mit Hilfe der Chinesen ein Multi-Projekt. In Liberia baut ArcelorMittal wieder im Bereich der alten Lamco Erz ab und hat Millionen Dollar in die Instandsetzung der ehemaligen Lamco-Railway gesteckt. Die ehemalige deutsche Erzmine Bong Mining Company soll von den Chinesen wieder aufgemacht werden. Putu Range gehört heute den Russen Severstal, es wurde schon von der ehemaligen Lamco und Bong untersucht. Ja und dann gibt es noch die ehemalige Bomi-Hills- und Mano-River-Minen, die jetzt von den Indern Sea-Goa im Blick sind. Last not least Wologisi, daran war einmal Krupp interessiert. WILHELM LASZLOB, Dinslaken

Am meisten reagierten die Leserinnen und Leser diese Woche auf die Vorstöße, die grenzenlose Freiheit in Europa nach Gusto wieder aufzuheben. Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU sieht die „Sicherheit der Bürger“ durch die vielen „Illegalen“ gefährdet.

Die aber sind in vielen Bereichen der Wirtschaft als Niedrigstlöhner hoch willkommen, schreibt ein Leser.

Reine Sündenbockpolitik, sagen andere, die weiter viele Menschen das Leben kosten wird, diese Politik sei beschämend. Für gefährdet halten die taz-LeserInnen sich nicht durch die „Schrankenlosigkeit“ in der EU.

Sodann gibt es LeserInnenmeinungen zur Siedlungspolitik Israels, zum 1. Mai, zur Piratenkandidatin Julia Schramm, zur Ganztagsschule und zu den Ticketautomaten der DB.