DIE STIMMEN DER ANDEREN
: DIE STIMMEN DER ANDEREN

■ il manifesto (Italien)

Niederlande: Ein wenig Schadenfreude

Die holländische Regierungskrise schwächt die Falken des Stabilitätspaktes und hier vor allem die deutsche Verhandlungsposition. Fälschlicherweise redet man immer noch ausschließlich so von der Kanzlerin, als seien ihre drakonischen Diktate einfach ökonomischer Kurzsichtigkeit oder ihrem persönlichen Dickkopf geschuldet. In Wirklichkeit vertritt Merkel herrschende Interessen (zumindest gegenwärtig) jenes Teils der deutschen Banken und Industrie, der der Regierung sagt, welchen Kurs sie zu fahren hat. Doch die Schwäche der bigotten Monetaristen, die sich nun auch in einem nordischen EU-Mitglied wie den Niederlanden zeigt, ist nicht nur Grund für ein wenig Schadenfreude. Sie begünstigt nämlich nicht den keynesianischen Ausweg aus der Rezession, sondern verstärkt nur fremdenfeindliche Nationalismen und antieuropäisches Ressentiment. Die Ironie an der Sache ist, dass ausgerechnet die xenophobe Wilders-Partei als einzige die Pensionen gegen die Kürzungen „durch den Euro“ verteidigt.

■ Ta Nea (Griechenland)

Europa: Ziemlich Friedhof

Papandreou (Griechenland), Berlusconi (Italien), Cowen (Irland), Radiova (Slowakei), Pahor (Slowenien), Rutte (Holland) – innerhalb eines Jahres hat die Eurokrise so viele Premiers geschluckt, dass die europäische Landschaft einem politischen Friedhof gleicht […] Und die Krise betrifft nicht mehr nur den Süden. Erstmals brach eine Regierung des Nordens, dessen Länder den harten Kern des Euro bilden, unter der Last der Krise zusammen […] Die Euroländer haben lange geglaubt, sie werden wegen der europäischen Währung immun gegen Krisen sein. Die Krise aber hat nun sogar den harten Kern der Währungsunion getroffen. Und erneut bestätigt sich eine Weisheit der Wirtschaftsgeschichte: Die Währung kann nicht über das Land bestimmen, sondern das Land bestimmt die Währung.

■ Le Monde (Frankreich)

Frankreich: Gegen das deutsche Modell

Wenn es nicht einmal mehr die Musterschüler schaffen, die Haushaltsvorgaben der Eurozone ohne Regierungskrise umzusetzen, wer soll es denn dann können? […] Die Bürger drücken ihre Frustration und ihre Angst vor den durch die unvermeidbare Haushaltsdisziplin bedingten Einschnitten aus, und zwar auf sehr vernünftige Art: auf politischem Wege. In gewisser Weise hat Merkel recht: Europa ist mittlerweile Innenpolitik. Aber die Botschaft ihrer europäischen Mitbürger, allen voran der Franzosen, entspricht sicher nicht ihren Vorstellungen. Sie signalisieren ihre Ablehnung des deutsche Modells der Krisenbewältigung, bei dem die Sparpolitik vor der Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums kommt.

■ Jornal de Negócios (Portugal)

Portugal: Vor dem sozialen Aus

Wenn jemand unseren wichtigsten Wert bedroht, den sozialen und politischen Zusammenhalt, dann ist das Premier Passos Coelho. Dieser Zusammenhalt ist keine gegebene Tatsache. Er braucht die ständige Aufmerksamkeit derer, die an der Macht sind, und Maßnahmen, die den Sinn für Gerechtigkeit in Zeiten der Sparpolitik aufrechterhalten. […] Es ist wichtig realistisch zu sein. […] Die Wirklichkeit nämlich zeigt uns, dass der eingeschlagene Sparkurs einige mehr trifft als andere, und genau dieser Umstand wird den Weg des Scheiterns und des Zerwürfnisses pflastern.

■ Financial Times (Deutschland)

Deutschland: Wie wachsen?

Was heißt das – „Wachstumspakt“? Und wie kann der zusammenpassen mit der bisher verordneten Therapie – sparen, sparen, sparen –, an der ja weiter festgehalten werden soll? […] Wachstumspolitik kann sehr viel sein, sie reicht von der eher langfristig wirkenden Öffnung bisher verschlossener Dienstleistungsmärkte bis zu schnelleren, schuldenfinanzierten Staatsausgabenprogrammen. […] Eine Kapitalerhöhung für die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Ausgabe von Projektanleihen für grenzüberschreitende Infrastrukturmaßnahmen sind ein effizienter Weg. Eine schnellere Umwidmung von EU-Mitteln aus der Struktur- und Regionalförderung ein anderer.

Quelle: eurotopics, taz