sieben sachen
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Mary Ocher beschäftigt sich mit der kollektiven Angst vor der Zukunft Foto: Pietro Pontieri

Am Ende der Zeit

In Moskau geboren, in Israel aufgewachsen, widmet sich die Experimentalistin und Songwriterin Mary Ocher seit 15 Jahren von Berlin aus dem Zustand der Welt. Am Tag ihres ersten Konzerts seit zwei Jahren erscheint nun ihr neues Album „Approaching Singularity: Music for The End of Time“ – eine Reise durch die Geschichte experimenteller und elektronischer Musik. Alexandra Cardenas steuert ein Algorave Live-Coding-Set bei, der Futurist Felix Kubin legt Platten auf.

Kantine am Berghain, 3. 11., 20.45 Uhr, 14,30 Euro

In „SCOOOOOTCH!“ verwandelt Klebeband Räume  Foto: Les Nouveaux Balletsdu Nord-Pas de Calais

Räume wachsen lassen

Die Menschen sprechen viel von Spielräumen, wenn sie enger werden. Damit sind meist materielle Möglichkeiten gemeint. Das Festival „Theater der Dinge“ will hingegen Orte der Freiheit und Kreativität erforschen, Schicksal und Geschick auf die Probe stellen. Und schaut dabei darauf, wie sich aktuell gerade viele Spielräume schließen.

Theater der Dinge: 3.–9.11., diverse Orte

Ein Gruppenbild aus besseren Zeiten  Foto: ACGO

Der Tanz auf der Auster

Das heißblütige Musikkollektiv Adriano Celentano Gebäck­orchester gründete sich zur Fète de la Musique 2010 und widmete sich von da an den Klassikern des italienischen Schlagers im letzten Jahrtausend. Bittersüß, mit viel Herz und Leidenschaft schallt es nun wieder aus ihren zehn Kehlen: Venite tutti! Denn am Samstag laden sie zum „Danza Delle Oyster“ um gemeinsam zu tanzen, lieben, lachen und natürlich auch zu weinen.

Adriano Celentano Gebäckorchester + Gäste: Weltwirtschaft im HKW, John-Foster-Dulles-Allee 10, 4. 11., 20 Uhr, 15 Euro

Journalist und Autor Karsten Krampitz  Foto: Nane Diehl

Straße der Verlorenen

Bereits im „demokratischen Preußen“ gab es Internierungslager, ein Berliner Polizeipräsident sprach von einer „Ostjudenplage“ und ließ Juden willkürlich festnehmen. Im Scheunenviertel nahe dem Alexanderplatz kam es im November 1923 zu einem Progrom gegen die jüdische Bevölkerung. Der Mob konnte ungestört wüten, verletzen, plündern. Karsten Krampitz weist nach, wie im Krisenjahr 1923 die verbale Gewalt nach und nach in physische Gewalt umschlug. Zur Buchpremiere spricht er mit dem deutsch-britischen Rabbiner und Sänger Walter Rothschild. Die Musik kommt von Folkadu.

Straße der Verlorenen: Das Pogrom im Scheunenviertel 1923: Roter Salon, 5. 11., 17 Uhr, 8 Euro

Hinterlassene Objekte und Möbel werden in der Ausstellung Post Echoes zu Klang Foto: Piotr Pietrus

Musikalisierte Nachrufe

Der Tod eines Menschen erzeugt oft verlassene Räume. Wie der Körper selbst verschwinden diese Resonanzräume oft sang- und klanglos. Das Ausstellungsprojekt „Post Echoes“ von Selbstgebaute Musik erforscht in Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtmission Klangräume von Verstorbenen.

Post Echoes: Zwingli Kulturkirche, Vernissage am 8. 11., 20 Uhr; 9.–12. 11., 14–20 Uhr

Oscar Wildes Sprachwitz wird zum queeren Society-Talk Foto: L. Karelly/Schauspielhaus Graz

Viktorianisches Doppel

Kurz nach der Uraufführung von „The Importance of Being Earnest“ wurde Oscar Wilde 1895 wegen homosexueller Handlungen zu zwei Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt. Gesundheitlich und gesellschaftlich ruiniert, starb er 1900 mit 46 Jahren. Sein Doppelleben nahm im Gegensatz zu seiner Komödie kein gutes Ende. In Claudia Bossards Adaption am Deutschen Theater wird das Stück zum queeren Theaterspaß.

Bunbury. Ernst sein is everything!: ab 4. 11., 20 Uhr

Post everything: The Chap Foto: Stephanie Piehl

Euphorie und Wahnsinn

The Chap aus London und Berlin haben ihren musikalischen Hintergrund in Pop, Rock, post-atonaler Klaviermusik, freier Improvisation und klassischer Musik. Ihre jagenden und enorm unterhaltsamen Post-Everything-Songs ergänzen Keith, Panos, Claire, Berit und Johannes mit choreografischen Elementen. Ihre Live-Shows haben kultischen Charakter. Im Grunde weiß man nie, was eigentlich vor sich geht. Ebenfalls Kult und in der Kantine am Berghain auf der Bühne: Guido Möbius. Auch er drückt auf die musikalische Pedale und treibt Funk zu Lärmwänden. Straffe Arrangements und ausschweifend improvisierte Passagen wechseln sich ab. Er kann aber auch a-cappella. Zum Abschluss legt der Journalist und Musikkritiker Jens Balzer sehr gute Platten auf.

The Chap/Guido Möbius/DJ Jens Balzer: Kantine am Berghain, Am Wriezener Bhf, 5. 11., Einlass 19 Uhr, Konzert 20 Uhr, Tickets 17,30 Euro im Vorverkauf