Das Erbe der Pilzköpfe

1960 kam Tony Sheridan nach Hamburg, um Rock‘n‘Roll zu spielen. Seine Band machte daraus Mersey-Beat und wurde weltberühmt: „The Beatles“. Um deren Nachlass kümmern sich auch andere

von Imke Staats

Es war ein Schuh, auf einem Plakat. Ein kleiner gedruckter Stiefel, der mich aus unbewusstem Starren weckte und das restliche Poster angucken ließ. Ich erkannte den berühmten „Beatlesboot“, gezeichnet von Beatles-Cover-Künstler Klaus Voormann, und er war erschienen, um dem wunden Punkt in mir – dem ewigen Fan nämlich – einen Kick zu versetzen. Denn beworben wurde da vor drei Jahren eine „Beatles Convention“: Zeitgenossen, Veteranen- und Coverbands, Ausstellungen, Shopping, und das alles in einem weitläufigen Hotelcenter in Berlin. Ein Ereignis für oder gegen die Fans? Eines, das sie sättigt oder beschämt – indem es ihnen das Spiegelbild des Phantom-Verehrers vor den Latz knallt, der sein Geld für Devotionalienramsch ausgibt?

„Und warum überhaupt in Berlin?“, das dachte sich auch der Mann, der „einst die Beatles nach Hamburg holte“: Horst Fascher, der vom Roadie zum Manager wurde und heute den Star-Club e. V. leitet. Im vergangenen Jahr versuchte er deshalb, den Spirit des Beat zurückzuholen an den Originalschauplatz, an die Elbe – ein Flop. Nicht nur die EM-Fußbälle ließen Pilzköpfe rollen, es mangelte an Organisation und Sponsoren. Die Kulturbehörde kümmerte sich nicht – und das, obwohl Ole von Beust Fascher einst persönlich sein Wort gegeben hatte, sich der Sache anzunehmen, sobald seine Partei an der Macht sei.

Der Idealist Fascher gibt nicht auf: Es war nun mal St. Pauli, wo vor 45 Jahren der Geist des Rock‘n‘Roll allabendlich aus dem Verstärker des 20-jährigen Tony Sheridan fuhr und seiner Begleitkapelle die Bahn frei machte für ihren eigenen Sound. Und den großen Erfolg. Sheridan selbst ist ein echter Rock‘n‘Roller geblieben. Als die Beatles sich unter der Betreuungsknute des ersten Plattenvertrages schniegelten, war er befremdet: „Ich hätte meine Lederjacke nicht abgelegt, ich war ja nicht ehrgeizig wie John“, sagt er. „Aber ich freue mich, dass ich überhaupt noch Gigs bekomme aufgrund dessen, dass ich mit den Beatles gespielt habe.“ Auch wenn er Jahre lang acht Stunden täglich auf der Bühne stand, ist er heute überzeugt, erst seit zwei, drei Jahren richtig Gitarre spielen zu können.

Am Freitag nun, zum 45. des 65-Jährigen, wird er in der gediegenen Laeiszhalle ein zweiteiliges Konzert geben: erst singt er Lieder, die er einst mit den Beatles zum Besten gab, zu Klängen des 12-köpfigen Klassik-Orchesters Chantal aus Alzey. Im zweiten Teil, solo, wird Sheridan erklärtermaßen „erst zwei Minuten vorher wissen“, was er spielen wird: Aus dem Beatles-Archiv könnte einzig „Yesterday“ dabei sein, das er sehr eigen interpretiert hat. Und dann gab es da auch noch eine Single, „Tell me if you can“ – der einzige Song, den Sheridan und Paul McCartney 1962 zusammen verfassten.

Während Horst Fascher nicht aufgibt, versuchen auch andere Zeitgenossen, das Erbe der berühmten Pilzköpfe lokalkulturell urbar zu machen: Uwe Mamminga, Geschäftsführer des Downtown Bluesclubs im Landhaus Walther sowie „Beatles Guide“-Autor und Astrid-Kirchherr-Manager Ulf Krüger veranstalten regelmäßig „Starclub-Nights“ mit Live-Musik. Sie gehen die Sache professionell an und gut vernetzt und stecken ansonsten auch hinter der Berliner Convention (die es im Juli wieder gibt).

Im ehrwürdigen Landhaus Walter treffen dann Stammgäste mit echter Star-Club-Vita und den Bekenner-T-Shirts aus Krügers Fan-Shop auf die Stammhörerschaft eines kooperierenden Oldie-Radiosenders. Und ihre Eintrittskarten reißt, breit lächelnd, das echte Star-Club-Faktotum Pico ab. Mit solchen Trümpfen schickt das Team sich nun an, eine Interessengemeinschaft zu gründen. Unter den Mitstreitern sollen auch Senatsmitglieder sein. Da scheinen zwei Gruppen an derselben Sache zu ziehen, nur nicht an einem Strang.

Jubiläumskonzert Tony Sheridan: Fr, 10. Juni, 20 Uhr, Laeiszhalle