So traurig und so schön

„The Saddest Music in the World“ ist ein Film von Guy Maddin, er spielt zur Zeit der Depression, im kanadischen Winnipeg, und dass es sich um einen ziemlich durchgeknallten Film handelt, mag man daran ersehen, dass in der Handlung die Beine von Isabella Rossellini eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Im Film sind sie aus Glas gefertigte Beinprothesen, gefüllt mit Bier. Außerdem geht es um einen Wettbewerb, bei dem eben nach the saddest music in the world gesucht wird, und das ist alles recht grotesk und manchmal brüllend komisch. Und auch, doch: anrührend.

Traurige Musik, traurige Lieder, das ist natürlich ein Thema, das sich zunächst recht einfach anzuhören scheint. Ein getragenes Tempo und die Moll-Lage können dabei nicht schaden, aber notfalls bekommt man aus diesen Zutaten auch einen Feelgood-Hit geschnitzt. So leicht ist die Traurigkeit nicht zu haben, mit Musik allein ist sie nicht zu erklären. Weil aber nur Musik ist wie Musik (Bernhard Lassahn), lässt sie sich erst aushalten in ihr, die Traurigkeit, der Schmerz, das Leid.

Dafür werden die Lieder gemacht, die man auch auf einem vergnüglichen Streifzug im Netz als saddest song in the world suchen kann, weil ja alles irgendwo gelistet ist, und auf einer steht zum Beispiel „Crying“ von Roy Orbison ganz oben auf Platz eins, auf der nächsten soll es „Tears in Heaven“ von Eric Clapton sein, was bei aller Traurigkeit nun doch Ansichtssache ist, weil anderen vielleicht eher bei einer Dojna die Tränen kommen, dem rumänischen Blues, und „Pledging my Love“ ist gleichfalls nicht schlecht in diesem Rennen. Gibt es in verschiedenen Versionen, auch von Elvis, aber unser Musikredakteur Julian Weber würde schon die von Johnny Ace empfehlen. Die klingt nach Schneekugeln, nach Barjazz. Und Weihnachtsglöckchen. Herzergreifend. Die Weihnachtsglöckchen aber hört man vielleicht deutlicher, wenn man weiß, dass sich Johnny Ace in einer Art Russisch Roulette eben am Weihnachtstag die Kugel gab. It’s the singer, not the song. Die traurigen Lieder von Townes van Zandt sind einem halt noch todtrauriger im Wissen, dass er sie aus seinen Depressionen herausgeschnitten hat. Die Musik wird aus der Traurigkeit gemacht. „Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden“, notiert Franz Schubert im März 1824 in sein Tagebuch.

Weitere Anregungen fürs Hören mit dem Taschentuch findet man am Sonntagabend im Circus der Bar25, wo bei den dortigen Abschiedsfeierlichkeiten sich die Musiker beim „Saddest Song in the World Contest“ rechtschaffen um etwas Traurigkeit bemühen werden. THOMAS MAUCH