die taz vor 16 jahren: austritts-kampagne gegen den adac
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[In Berlin hatte der ADAC eine heftige und heftig umstrittene Kampagne gegen ein Tempolimit auf der Stadtautobahn Avus angezettelt – Red.]

Na endlich: Günter Grass und Klaus Staeck muß man für ihre Aktion gegen den ADAC feucht und heftig knutschen. Die Kampagne gegen die Verspoilerung der Gesellschaft war überfällig. Der nachdenkliche Teil der Bevölkerung und Prominente jeglicher Couleur sollten sich dem Boykott schleunigst anschließen. Die Rallyestreifen- und Breitreifenfraktion der ADAC-Zentrale gehört schon lange dorthin, wo Blech und Blinker ruhen – auf den Autofriedhof. Und zwar mit Tempo 200.

Die Borniertheit, mit der dieser Verein in Berlin gegen das Tempolimit für 6,5 Kilometer Avus anrennt und es zur Schicksalsfrage über Leben und Tod erklärt, ist prototypisch. Schon kleinste Schritte zur Bändigung des Autos, zu einer neuen Gemächlichkeit und einem Ausweg aus autoverstopften und kollabierenden Innenstädten werden von den gelben Auspuff-Engeln seit Jahren bekämpft und als bewußte Schikane wehrloser Autofahrer diffamiert. Der ADAC ist nichts als dumpfmeiernde Interessenpolitik für die Hersteller der Oberklasse-Karossen und eine bestimmte Spezies von Autofahrer: auf dem Hals sitzt der Turbolader.

Kein vernünftiger Mensch wünscht sich eine Zukunft mit noch höheren Zulassungszahlen, noch mehr Autokilometern, noch mehr Straßen, noch mehr Beton, noch mehr PS, noch hochgerüsteteren Autos. Doch zugleich finanzieren viele, die eine andere Verkehrspolitik wollen, mit ihren Mitgliedsbeiträgen genau jenen Verband, der die alte Autopolitik, garniert mit ein bißchen Katalysator, unbelehrbar weiterpowert. Der ADAC und seine Fans sind ein Fossil.

Wenn es denn stimmt, daß gezielte Boykott-Aktionen die Aktionsform der neunziger Jahre werden, dann könnte die ADAC -Kampagne ein hoffnungsvoller Auftakt sein. Manfred Kriener,taz, 9. 7. 1989